Motorsport. Ein Thema voll und ganz im Wandel. Immer mehr Restriktionen machen es den Herstellern schwerer und die Attraktion für die Zuschauer langweiliger. Und am Horizont deutet sich auch schon der „lautlose“ elektrische Motorsport an. Doch mit Rallycross besucht uns sogar in Deutschland ein packendes Motorsport-Erlebnis unweit von Hamburg. Ein phänomenales Ereignis, das den Puls einen Tag lang stetig hoch hält.
Zwei Tage pausenlos Action pur
Denn beim Rallycross gibt es quasi keine Pausen. Auf dem nicht einmal einen Kilometer kurzen Kurs des Estering herrscht Dauerbefeuerung. Wenn nicht die Super1600 oder die World RX die Fans zum Jubeln bringt, dann gibt es Show-Fahrten eines Trophy Truck oder Taxi-Fahrten mit den Weltmeistern der Rallycross-Szene. Und dabei ist nicht nur die Aussicht von fast jeder Tribüne sagenhaft, sondern man muss nicht minutenlang auf das nächste Auto warten.
1,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h
Im Sekundentakt schießen die bis zu 600 PS starken Kleinwagen an den Fans vorbei. Hautnah und Motorsport-typisch mit ordentlich Krawall. Gerade das Anti-Lag System mancher Boliden ist mit Sicherheit noch bis in das nächste Dorf zu hören. In nicht einmal zwei Sekunden katapultieren – das Wort Katapult ist hier offensichtlich mehr als angebracht – sich die World RX Wagen auf 100 km/h. Dabei kombiniert die Rennserie viele Elemente aus dem Rallye-Sport mit Stockcar. Zwar sollen sich die Kontrahenten nicht gegenseitig von der Piste schieben, doch Berührungen sind allgegenwärtig und auch laut Reglement kein Problem.
Der Start und die erste Kurve entscheiden meist über Sieg oder Niederlage
So geht es bereits in der ersten Kurve kuschlig zu. Zuvor entscheidet der Start meist schon über Sieg oder Niederlage, doch auch in der ersten Kurve kann sich nochmal alles drehen. Dieser Motorsport ist Adrenalin pur für die Zuschauer, da nichts vorhersehbar ist – wie etwa in anderen Motorsport-Arten. Zwar dominiert Volkswagen die noch aktuelle Saison, doch auch ein Petter Solberg oder der schon gekrönte Weltmeister 2018 Johan Kristoffersson (beide auf VW Polo), sind nicht unantastbar.
Das Peugeot Werksteam bei der World RX
So kann auch ein junger Kevin Hansen (geboren 1998) gemeinsam mit Bruder Timmy Hansen (geboren 1992) die erfahrenen Rallye-Piloten ins Schwitzen bringen. Beide fahren gemeinsam mit Altmeister Sébastien Loeb (geboren 1974) auf dem Peugeot 208 WRX. Wie alle anderen Fahrzeuge basiert auch der 208 WRX auf dem Serien-Fahrzeug. Zumindest Chassis und Motorblock werden übernommen, von da an trifft Renntechnik auf das französische Serienfahrzeug. Der Motor wird auf zwei Liter Hubraum aufgebohrt, ein riesiger Turbolader dran gepackt, der Kühler ins Heck verfrachtet und logischerweise ein passendes Rennfahrwerk unter den Wagen gepackt. Am Ende stehen 600 PS bei 6.000 U/min und vor allem brachiale 850 Nm bei 4.500 Touren bereit. Die kontaktfreudige Karosserie besteht vor allem aus Gewichtsgründen komplett aus Carbonfaser.
Motorsport vom Feinsten und vor allem zum Anfassen
Das Event zeigt, welches Potential Fan-naher Motorsport noch bietet. Quasi freier Zugang zum Paddock, Gespräche mit den Fahrern, direkter Blick auf die Fahrzeuge in den Zelten und Dauer-Unterhaltung. Es vergeht kaum eine Minute, in der nichts passiert oder die Moderatoren für Stimmung sorgen. Und wie in jeder Rallye-Szene zieht auch dieses Event viele Skandinavier an. Wird der Sport doch auch von Schweden und Norwegern bestimmt. Da wundert es wenig, dass sich die mitgereisten Fan-Clubs vor den nur etwa drei bis vier Minuten kurzen Rennen gegenseitig anheizen.
Die World RX am Estering aus Sicht von Peugeot
Für die Peugeot-Mannschaft war es ein sehr durchwachsenes Wochenende. Erst ging in den Qualifikationsrennen nichts richtig, dann fuhr man auf einmal vorne mit. Und schon landeten die Hansen-Brüder gemeinsam im ersten Halbfinale, Loeb war im zweiten Halbfinale alleine gegen die zwei Audi S1 unterwegs. Timmy Hansen hatte im ersten Halbfinale kein Glück und verlor nach einem heftigen Crash den Anschluss an die Spitze. Während Kevin Hansen von einem extrem guten Start profitierte und am Ende die dritte Position halten konnte. Loeb hingegen erfuhr ein ähnliches Schicksal wie Timmy Hansen, ein langanhaltender Kontakt mit der Leitplanke ausgelöst durch einen Kontrahenten besiegelte das frühe Aus am Rennsonntag.
Im Finale sah es zu Beginn extrem gut für Youngster Kevin Hansen aus. Kein idealer Start, aber durch ein wildes Durcheinander in der ersten Kurve fand er sich kurzzeitig auf Platz zwei und drei wieder. Es wäre nicht nur verdient, aber auch ein phantastische Erfolg für den 20 jährigen Schweden gewesen. Doch auch hier, war das Peugeot-Team wieder vom Pech verfolgt. Nach dem heftigen Einschlag von Hansen in der Leitplanke, gab es sogar einen Rennabruch des Finale. Hansen stieg zwar quasi unbeschadet und mit leichten Prellungen aus, doch das Finale war für ihn gelaufen und musste im zweiten Anlauf ohne ihn stattfinden. So sicherte sich am Ende wieder Kristoffersson den Sieg vor Matthias Ekström und dessen Team-Kollege Andreas Bakkerud.
Weitere Foto-Eindrücke der World RX am Estering 2018
Text/Fotos: Fabian Meßner