Das Rad nochmal neu erfinden scheint in der heutigen Zeit unmöglich. Auch wenn BMW mit dem neuen 5er das nicht geschafft hat, so zeigt der neue BMW 5er auf jeden Fall, dass die E-Klasse die Deckung etwas zu offen gelassen hat. Es fühlt sich an wie in einem offenen Schlagabtausch im Mittelgewicht. Einem linken Haken der E-Klasse wird geschickt ausgewichen, direkt gefolgt von einem Gegenschlag. Der Bayer bewegt sich auf Augenhöhe, leistet sich kaum Blöße und fordert den Gürtel der Champions ein.
Mit dem BMW 530d xDrive auf der Teststrecke der E-Klasse
Doch nicht allzu schnell. Wir befinden uns wieder in Lissabon. Wieder auf der Strecke, die auch schon Anfang des Jahres zur Vorstellung der neuen Mercedes-Benz E-Klasse genutzt wurde. Zufall? Es gibt keine Zufälle. Eine wunderschöne endlose Kurvenkombination entlang der portugiesischen Küste platziert den neuen BMW 5er, besser gesagt den 530d xDrive, in seinem Metier. Dynamik. Fahrfreude mit 620 Nm Drehmoment in fast jeder Lebenslage.
Entgegen den Schwaben, haben die Bayern klar und bewusst auf eine Luftfederung verzichtet. Auch die Doppelquerlenker-Vorderachse wirkt auf dem Papier schon etwas überholt. Denkste! Die fast fünf Meter lange Limousine wedelt durch die engen Kurvenkombinationen mit einer Wonne, welche das Grinsen förmlich einmeißelt. Und das Allrad bei BMW keinesfalls Langeweile bedeutet wird direkt mit unterschrieben. Zwar kann der BMW 530d xDrive total neutral in eine Kurve rein und wieder rausfahren. Doch im idealen Moment, kann auch das Heck tanzen und der Antrieb hat überhaupt keine Einwände.
Ein Genuss: der Reihensechszylinder im BMW 540i
Doch lieber wäre ich nun hier mit dem BMW 540i. Angetrieben wird in seinem Fall nur die Hinterachse. Mit 340 Pferden aus 3,0-Liter Hubraum. Sechs Zylinder in Reihe versteht sich. Auf der Autobahn ist der BMW 540i laufruhig, unaufgeregt, schon fast zurückhaltend und kaum weiter auffallend. Doch wehe dem, welcher den Fahrerlebnis-Schalter von Eco Pro auf Sport schaltet. Die motornahe Dämmung schluckt zwar die meisten der kernigen Motorgeräusche, aber man merkt, welche Emotion mit dieser Art Motor verbunden wird.
Ein fahrdynamischer Vorteil zeigt sich weniger durch die Wankstabilisierung, als durch die feinfühlige Hinterachslenkung. Als „Integral-Aktivlenkung“ bezeichnet, macht die Hinterachse bis rund 60 km/h den Kreis enger und darüber stabilisiert sie das Fahrzeug. Braucht man so etwas? Nur von A nach B garantiert nicht, aber für alle, die sich für den Part zwischen A und B interessieren, ist es eine Pflichtoption.
Teil-autonome Technik auf Augenhöhe
Abseits des Fahrfreude-Rahmenprogramms kann der neue BMW 5er auch teil-autonom das Lenkrad übernehmen. Dabei ist selbstverständlich ein aktiver Spurhalteassistent dabei, der nun später meckert, falls die Hände das Lenkrad loslassen. Auch der Spurwechselassistent ist mit an Board. Doch es gibt einen großen Unterschied. Der „automatische“ Tempomat, überlässt dem Fahrer die Verantwortung, ob er auf die neue, niedrige Geschwindigkeit wechseln will. Bei Audi, sowie Mercedes-Benz wird die erkannte Geschwindigkeit automatisch übernommen. Ein enormer Gewinn für den BMW, falls doch mal ein Schild falsch erkannt wurde.
Volles Programm im Cockpit inklusive Touchscreen und Gesten
Im Cockpit setzt die Vollausstattung auf eine Menge technischer Spielereien. Sprache, Touch, Dreh-Drück-Steller oder sogar Gesten können als Eingabe verwendet werden. Diesen Mix bietet sonst keiner. Zumindest noch nicht. Dabei ist die Gestensteuerung nicht nur eine nette Spielerei, sondern kann auch im Fall des Victory-Zeichen, mit einem Befehl frei belegt werden. Dieser funktioniert in jeder Lebenslage. Auch nett: die Funktion einen Anruf per Fingerzeig anzunehmen oder per Wischgeste abzulehnen. Ferner ist das gesamte Infotainment vollgepackt mit allerlei Infos, Möglichkeiten und technischen Neuerungen, die gut und gerne zwei, drei Tage Lernzeit in Anspruch nehmen.
Persönliches Manko: beim Soundsystem liegt Stuttgart vorn
Leichter fällt da der Vergleich der Soundanlagen. Hier holt der BMW zwar aus, verfehlt allerdings in meinen Augen sein Ziel. Gegenüber der Topausführung der Stuttgarter (5.831 EUR), kann das 16 Lautsprecher-System von Bowers & Wilkins (4.650 EUR) alleine schon aus technischer Sicht mit dem 10-Kanal-Verstärker nicht mithalten. Im Kopfbereich fehlt dem Soundsystem einfach der letzte Schliff, um den von der E-Klasse bekannten WOW-Effekt zu erzeugen.
Im direkten Schlagabtausch wird es schwer sein einen Sieger auszumachen. BMW punktet ganz klar bei Motoren, Antrieb und Fahrleistungen. Die Helferlein im Cockpit machen in beiderlei Hinsicht einen eindrucksvollen Job. Schlussendlich liegt die Entscheidung zwischen einer eher Komfort-orientieren E-Klasse und einem wieder dynamischen BMW 5er.
Video-Fahrbericht BMW 540i und BMW 530d xDrive
Text: Fabian Meßner
Fotos: BMW Group