Der Tazer unter den E-Autos: Audi R8 e-tron Versuchsträger erfahren

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Wie geht man mit einem Auto um, das es nur genau zehn Mal gibt, dem die Chance auf Serienfertigung versagt wurde und Ersatzteile aus Kohlefaserverstärktem Kunststoff dementsprechend teuer sind? Man treibt es an den Rand des Griplevels! Vor allem, wenn die Audi-Ingenieure Sätze wie „Probieren Sie es ruhig einmal aus.“ verwenden. Der Audi R8 e-tron, der Organspender für die e-tron Familie, der eigentlich seine Daseinsberechtigung hat.

4,2 Sekunden bis die Marke 100 geknackt ist, dabei brüllt kein V8 oder gar der V10 im Heck. Es ist ein Geräusch, das im Studio produziert wurde. Es ist gewöhnungsbedürftig, passt dem Tazer aber wie ein Maßanzug. Und selbst dem Kritiker sei gesagt: besser als gar kein Sound bzw. nur ein Surren. Nach wie vor stehe ich dem E-Sound-Generator skeptisch gegenüber, wohl auch deswegen kam spontan noch eine Einladung zur Erfahrungssammlung. Ich muss Sebastian in gewisser Weise Recht geben. Wenn du einen der zehn roten E-Renner durch die Kurven drückst, dann ist der Sound sche**egal! Das schreien der speziellen Reifenmischung (Flanke härter, mittig weicher als „Standard“-Reifen) ist auch genug Musik in meinen Ohren.

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Dabei lässt sich der R8 e-tron in verschiedenen Modi auch unterschiedlich bewegen. Auf Efficiency gestellt wird enorm rekuperiert (auch über die Paddles am Lenkrad einstellbar), das ESP regelt sauber und er zieht haargenau, fast wie auf Schienen durch die Kurven. Dabei wird wahrhaftig nicht die ganze Leistung der zwei 140 kW (Systemleistung: 381 PS) starken Elektromotoren freigesetzt, wohl aber in den nächsten Einstellungen. Drive Select „Auto“ und „ESP auf Sport“ heißt das Zauberwort, das viel zulässt, viel verzeiht und ein ganz ordentliches Grinsen in mein Gesicht zauberte, wie mir auch der Ingenieur direkt bestätigt – „Macht’s Spaß? Ah ich seh‘ schon! ;) “ – Schnell und nur mit leichten über- und untersteuernden Manövern, dabei immer beherrschbar, fegt der 530-Zeller über den Parcours.

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Extremer wird es da schon im Dynamic Mode, das ESP bleibt natürlich aus. Die geballte Power aus der Steckdose wird auf die Hinterachse losgelassen – mit den 48,6 kWh könnte man übrigens knapp eine halbe Stunde auf Vollgas 200 km/h fahren, dann wäre der „Tank“ leer – dank Torque Vectoring werden die Radmomente passend der Fahrsituation verteilt. Schnell mal eben die 1,7 Tonnen anstellen und quer aus der Kurve herausbeschleunigen, sodass sich beim Flagman etwas die Pupillen weiten, geht perfekt, easy, aber irgendwie auf die Batterieleistung. Die Batteriefüllstandsanzeige war zum Start voll, nach ein paar Runden waren zwei Striche weniger zu sehen. Wenigstens effizient Strom verbraten. Bei den Gummis war es dagegen nicht ganz so effizient, schon bevor wir die Strecke befahren durften, war eine klare „Ideallinie“ zu erkennen. Die verlief im Teil des Kurvenausgangs auch gerne mehrspurig. Ein wenig traurig ist dann doch, dass sich das ESP denkt „ok bis hier hin war es ganz spaßig, aber nun ist Schluss und wir fahren lieber gerade zur Fahrbahn weiter“ und schaltet sich wieder zu. Dicke Rauchschwaden ziehen so leider nie hinter dem Technologieträger auf.

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410 Newtonmeter pro angetriebenes Rad sind da schon eine deutliche Ansage. Wenn nicht gerade der Drift-wütige Blogger probiert, was geht, kann zumindest im Auto (ESP on)-Mode eine hohe Kurvengeschwindigkeit und ein frühes Gas geben dauerhaft bewerkstelligt werden. Das obligatorische Grinsen auf dem Fahrersitz gibt es gratis zum unnennbaren Kaufpreis dazu. Die Gewichtsverteilung, die den anderen R8-Modellen in nichts nachsteht, eventuell noch besser als die des Mittelmotor-Sportlers ist, verpasst dem R8 e-tron eine nahezu perfekte Straßenlage. Einzig bei den fiesen Betonplatten auf dem Flugplatz verlagerte sich die Fahrspur um wenige Zentimeter. Selbst der R18 e-tron quattro hätte da wohl seine Schwierigkeiten. Aus eben jenem ist auch schon der elektrische Rückspiegel bekannt, jedenfalls dem elitären Kreis, der für Audi bei Langstreckendistanzen fährt. Über eine Kamera, die knapp unter der dritten Bremsleuchte montiert ist, wird ohne Echtzeit-Verzögerung der rückwärtige Verkehr auf das AMOLED-Display (das den Rückspiegel ersetzt) übertragen. Vorteil: der Fahrer wird bei Nacht nicht geblendet.

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Rein rechnerisch sind 215 Kilometer Reichweite drin, die routinierten Testfahrer schaffen es laut Audi-Aussagen auf 180 km. Schlussendlich steht am Ende des Tages aber fest, es ist ein Auto, das nur einen Zweck hatte: Technik spendieren. Audi wollte zeigen, was möglich ist, was die Ingolstädter im Stande sind zu verrichten. Viel von diesem Know-how soll in den Audi A3 e-tron geflossen sein, der im nächsten Jahr in den Verkauf geht. Viel Carbon, einige Teile aus Titan, Federn aus glasfaserverstärktem Kunststoff und 530 Batteriezellen aus den seltenen Erden, die ganz am Rande auch die Frage aufwerfen, wie Grün ist das nun alles wirklich? Neue Entwicklungen, wie der Aufprallschutz am Heck, das in Wellenform gestaltete Carbonteil, welches Aufpralle absorbieren und dabei gleichzeitig die Batterie schützen soll, zeigen wie sicherer Leichtbau (aus dem Motorsport inspiriert) in Serie aussehen kann. Gewichtseinsparungen, neue Doppelquerlenker der zweiten Generation aus Aluminium, das CFK Rohr zusammen mit den Alu-Schenkeln machen den elektrischen R8 zumindest auf einer von Kurven übersäten Strecke zum performanteren R8, erst auf der Geraden kann sich der Verbrenner im Schatten des AMOLED-Rückspiegels anschleichen und vorbeiziehen.

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Text: Fabian Meßner

Fotos: Fabian Meßner