Gimme! Gimme! Gimme! Turbo-Boost! Nein ich brauch keinen Typen nach Mitternacht, ich brauche einen Type R für die Nacht. Die Floskel „VTEC just kicked in“ bekommt mit dem Honda Civic Type R der Generation 2016 eine völlig neue Bedeutung. Das Warten hat ein Ende, denn der neue drückt die Abgase noch durch einen Turbolader und das macht mächtig Laune. Schon bei geringen Drehzahlen – der Dank gilt dem Mono-Scroll-Lader – schiebt der neueste Type R an als hätte er die bösen Witze über seine Vorgänger nie gehört. Ein Japaner, der sich auch nicht dafür schämt, dass sein Turbolader lauter ist als der ganze Motor samt Abgasanlage!
Auch der Civic Type R ist ein „ganz normaler“ Civic
Es ist ein Auto, welches Zahlen wie 477 Liter Kofferraumvolumen oder ein 320 Watt starkes Audiosystem vergessen lassen. Ein Auto, dass sich mehr um die inneren Werte und die Hingabe der Ingenieure dreht, als um irgendwelche Extras, wie anklappbare Außenspiegel oder ein Navigationssystem. Ein Auto, welches nicht nur in der Grünen Hölle bis zur absoluten Perfektion getrieben wurde, sondern auch genau so und nur so behandelt werden möchte. Der eine Honda, welcher das Ausrufezeichen für die gesamte Marke setzt. Selbst Motorrad- und Bootsmotorenbauer würden der neu aufgelegten Ikone salutieren.
Mit Recht, immerhin hat der Type R aus dem Stand – obwohl es lange nicht mehr so etwas von Honda gab – die Nordschleife bezwungen. Die Ingenieure lernten auch, dass es durch ein schrägverzahntes Sperrdifferential noch einmal drei Sekunden schneller ging. Das macht es etwas schwer den Type R in eine Parklücke zu rangieren, doch wer denkt da beim Kauf schon dran. Der Rekord saß prompt, wurde dann etwa ein halbes Jahr später vom GTI Clubsport S unterboten. Ein Auto wiederum, dem man vorwerfen könnte nur für diesen Rekord geschaffen worden zu sein. Sei es drum, Honda bewies auf weiteren Rennstrecken, dass der Type R auch abseits der Eifel enormes Potential hat.
Der VTEC Turbo: das Schokoladenstück des Civic Type R
Herzstück ist der eigens für den Type R entwickelte 2,0-Liter VTEC Turbo. Bis zu 7.000 U/min dreht der Motor, obwohl die maximale Leistung von 310 PS bereits bei 6.500 Touren steht. Die perfekte Verbindung von Motor und Antrieb, das Verlangen nach maximaler Leistungsentfaltung wird beim Gangwechsel ersichtlich. Das 6-Gang-Getriebe mit dem exakt gleichen 40 mm Schaltweg wie im NSX-R von 2002, setzt den Antrieb bravurös in Szene. Voll ausgedreht und den nächsten Gang eingelegt greift alles Hand in Hand. Die Nadel dreht sofort weiter, da braucht es kein DSG oder sonstige Spaßbremsen. Hier funktioniert das Schaltgetriebe so perfekt, dass jedes Automatikgetriebe es beschämen würde.
Über dem Tacho blitzt die Schaltanzeige auf, sobald man in den Bereich des Gangwechsels dreht. Von Gelb über Orange nach Rot laufen die LEDs in der Mitte zu und deuten an, es ist gleich soweit. Mit seiner Sprintzeit von 5,7 Sekunden (5,4 Sekunden schnellste Messung im Test) ist er vielleicht nicht der schnellste auf 100 km/h, aber jeder Zwischenspurt hinterlässt ein breites Grinsen. Wenn der Turbo den Druck erhöht, wenn sich die Turbine immer schneller dreht. Und beim Gangwechsel der ganze Druck mit einem „pffff“ abfällt und sich wieder erneut aufbaut. Keinem steht dies so gut, wie diesem Japaner. Was andere weg entwickeln, lässt Honda bestehen. Warum? Weil es ein Japaner ist! Die müssen so nach übermäßigem Turbolader klingen.
Ein Dämpfer-Setup der ganz besonderer Art
Mit dem Civic Type R hoppelt man ohnehin schon hart durch die Kurven. Doch auf Knopfdruck (+R-Button) wird es noch einmal 30% straffer. Die gemeinsame Entwicklung mit Conti (Civic Type R rollt auf 235/35 R19) macht sich in jeder Kurve bezahlt. Reifen und Fahrwerk greifen Hand in Hand, ziehen sich durch die Kurve und selbst ein intensiverer Pedaldruck stellt den Type R vor keine unlösbare Aufgabe. Selbst wenn ein Rad kurzzeitig den Bodenkontakt über eine Welle verliert, der Honda hält die Spur!
Civic ja, aber mit klarer Veränderungen
Das der Type R noch immer ein Civic ist lässt sich nicht bestreiten. Gut, der enorme Heckflügel fällt eventuell auf. Oder die zusätzlichen Luftein- und -auslässe an der Front. Aber innen ist es noch immer alles irgendwie typisch Civic. Abgesehen von den elementaren Dingen, wie Sitze, Lenkrad und Schaltknauf. Bei den Sitzen hat man übrigens einen um 20mm niedrigeren Hüftpunkt realisiert. Dazu wurde der Boden um weitere 10mm abgesenkt. Somit sitzt man im Type R deutlich sportlicher als im normalen Civic. Die Rückbank fasst nur noch zwei Personen, ist um 17% leichter als im Standard-Modell.
Neben dem neuen Motor ist das Fahrwerk unverzichtbarer Bestandteil des Japaners. Durch die Trennung von Achsschenkel und Federbein konnten die Krafteinflüsse auf die Lenkung um 55% verringert werden. Hinzu kommt das neue adaptive Dämpfer-Setup, welches auch auf die Radlastverteilung reagiert. So wird der Type R beim starken Bremsen und Beschleunigen noch in der Waage gehalten. Mit dem Druck auf den „+R“ Button, verstärkt sich das Ganze nochmals um 30% – kein Knopf für holprige Autobahnen.
Honda Civic Type R – die Allzweckwaffe
Es gab nie eine bessere Zeit für solche Sportwagen in kompakter Form. Uns steht die Qual der Wahl ins Haus. Die Hersteller bekämpfen sich in der Grünen Hölle bis aufs Blut und wir können davon profitieren. Die hochgezüchteten Maschinen sind die pure Freude. Und der Honda Civic Type R treibt einem auch aus historischer Sicht die Freudentränen in die Augen. Hätte man irgendetwas besser machen können? Eigentlich stellt sich mir nur die Frage, warum die Ingenieure bei der Abgasanlage auf jede Art der Kunst verzichtet haben, so wie es andere Hersteller auch treiben. Denn dort kommt auch an Sound nur raus, was unbedingt muss. Jegliche Fake-Allüren von Gepolter oder Gerotze fehlen dem Type R, eine ehrenwerte Tugend, aber auch irgendwie komisch.
Video-Fahrbericht Honda Civic Type R
Text/Fotos: Fabian Meßner