Die feueropal-rote Sänfte: Mercedes-Benz E400 Cabriolet getestet

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6467

Eigentlich wollte ich mit brabbeln und blubbern durch Städte und Wälder ziehen, mir den Nacken von der Sonne bräunen lassen, aber irgendwie kam dann doch fast alles anders. Passend zum Sommer wollte ich mit einem E500 Cabriolet mal wieder einen V8 genießen. Die Stuttgarter wollen mich scheinbar umpolen und es gelingt ihnen vielleicht. Vor der Tür stand dann schlussendlich ein E400 in Rot. Der neue Motor. In Rot. Das mit der Farbe ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Der Motor nicht!

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6434

Wie gesagt, es scheint ihnen zu gelingen. Dass es doch nur ein V6 und nicht wie gewünscht ein V8 werden würde, war mir vorher schon klar. Gefreut hätte ich mich trotzdem. Ich muss mit dem gleichen Atemzug aber auch sagen, verdammt passt der Motor gut in das viersitzige Cabrio. Problemlos und nie unter Zugzwang ist das Vorankommen gesichert. Sanft wie eine entspannte Massage mit Öl und mit der Gewissheit, dass 333 PS auch für mehr Wind im Innenraum sorgen können, als es das Aircap* zulassen will. Immerhin zum Kaltstart kommt ein wenig das V8-Gefühl auf, da blubbert er fast, wie ein kleiner Achtzylinder.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6478

Die rote Lackierung erschreckt, zumindest auf den ersten Blick. Das will nicht zusammenpassen. Das macht man einfach nicht, rot war noch nie wirklich im Trend. Wohl auch meist, da es sich schnell zu einem leichten rosa entwickelte. Die Gefahr möchte ich doch bei einem Cabrio, das quasi in der Sonne Zuhause ist, vermeiden. Der zweite Blick ist entscheidend, wenn du um das 4,70 Meter lange Cabrio herumgehst, es dir offen sowie geschlossen in Coupé-Form näher ansiehst. Dann vor allem, dann wirkt es wieder wie gewollt. Das schwarze Verdeckt drückt die Karosse optisch noch etwas tiefer, gar ein wenig Sportcharakter mag sich so einstellen.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6433

Doppelte Umpolung. Bin ich in einem Experiment gelandet? Rote Autos konnte ich nie gut sehen und den V8 habe ich immer allem vorgezogen. Und jetzt? Jetzt ist nicht mehr Mai und trotzdem wird alles neu. Ist rot doch vielleicht gar nicht so übel? Reichen sechs gegenüber acht Zylindern aus? Fragen über Fragen, die mich lange im Think Tank beschäftigen werden. Weg von meiner Weltanschauung hin zurück zum Auto. Ein Auto, das, obwohl es ein Cabrio ist, dafür entworfen wurde, um wenig Luft in den Innenraum zu lassen. Vorne wie hinten finden sich kleine aerodynamische Tricks, um den Fahrtwind draußen zu halten.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6457

Das funktioniert mit kurzem Surren vorne und ohne Geräusch hinten. Ein kleiner Spoiler fährt heraus und schon weht kaum noch Wind, es sei denn die vier im Inneren diskutieren wild, dann kann auch mal ein Sturm aufziehen. Hinten fahren währenddessen die Kopfstützen mit dazwischen integriertem Windschott weiter nach oben. An sich keine wirklich aufwändige Technik, die zum Wohlbefinden aller beiträgt. Es lässt sich an- und ausschalten, je nach Bedarf, dann kann auch nur geschützt durch die Windschutzscheibe der volle Fahrtwind ins Gesicht peitschen.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6450

Es macht Spaß mit mehr Leistung als prinzipiell notwendig zu cruisen. Lieber so, als das Gefühl haben, der Motor sei immer fast kurz vor dem Limit. Ein einfacher Tritt aufs Gaspedal trennt die Spreu vom Weizen, denn ein schleichender Traktor ist auch ohne Gangwechsel überholt; 480 Nm ab 1.400 U/min sind doch eben auch manchmal von Vorteil. Schlicht aber selbstverständlich zieht er nach vorne, untermalt von minimalen Turbogeräusch-Einflüssen und feinfühligem Abgasklang.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6487

Standesgemäße Fortbewegung ist das, wenn 1.845 Kilogramm Leergewicht von einem V6-Biturbo angetrieben werden. Die Antwort nach „braucht man immer so viel Leistung“ ist daher auch einfach beantwortet: nein nicht immer, aber sie ist wirklich „nice to have“. Ich komme immer wieder in die Situation, in der mir diese Leistung nicht bereit steht und ich sie brauchen könnte. Wenn ich die Leistung bereits habe, kommt dieses Problem wirklich nie auf!

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6445

Wenn das Cabriolet denn mal wieder geschlossen werden muss, sei es wegen Regen oder anderen unschönen alltäglichen Situation, dann gelingt das bis 40 km/h voll elektrisch und automatisch. Lauter als im Coupé ist es bedingt durch die Dachkonstruktion um ein Minimum. Mercedes-Benz selbst sagt dennoch, dass das Akustik-Verdeck den leisesten Innenraum im Segment abdichtet – das sollte so in etwa auch stimmen. Störende Geräusche, die etwa dem Verdeck zuzuschreiben sind gibt es quasi nicht. Geschlossen gibt es 390 Liter Kofferraumvolumen (im Vergleich beim Coupé sind es 450 Liter). Bei geöffnetem Verdeck verbleiben 300 Liter, aber bekanntermaßen sind die nur mäßig nutzbar. Das Verdeck ist im Weg, wer vorher aber etwas flaches in den Kofferraum legt, der könnte Glück haben. Ansonsten lädt das Cabriolet an sich nur noch etwa zwei Boardcases in den Kofferraum.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6464

Bei den Assistenten packt das E400 Cabriolet die gesamte Bandbreite aus. Distronic Plus funktionierte im GLA dahingegen schon besser, weil sensibler. Kein Wunder, ist der GLA auch mit der neueren Software ausgestattet. Dafür kann die Stereokamera das elegante Cabrio besser in der Spur halten. Nicht unbedingt über den Spurhalte-Assistent, der nur durch Vibration über das Verlassen der Fahrbahn informiert, als vielmehr über den DTR+ Lenkassist. Dabei beobachtet die Kamera nicht nur die Fahrbahnlinien, sondern auch den Verkehr voraus, was ein sehr angenehmes Feature im Stau auf deutschen Autobahnen ist. Besser gelingt dies nur noch in der S-Klasse.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6436

Um zum Ende zu kommen: der E400 hat mich überrascht und zwar positiv. Der Motor ist mitunter wahrscheinlich die ideale Wahl, um dem Gewicht und der Fahrzeugklasse gerecht zu werden. Can hat auf driversgroove auch über die etwas ärmer motorisierte E250 Variante Bewertungen über den Motor ausgelassen, von daher nehme ich das einfach als unterstützende These. Elegant ist die Form des A207 Facelift sowieso, hier scheiden sich nur die Geister ob Cabriolet oder Coupé. Logischerweise trägt das Cabrio mehr Gewicht mit sich herum, kann dabei auch durch nette Gimmicks wie eben Aircap punkten. Platz für vier ohne störende Fahrtwinde.

mercedes-benz-e400-cabriolet-test-6493

*Aircap: eine ab 50 km/h ausfahrende Blende oberhalb der Windschutzscheibe, die den Fahrtwind weiter über die Köpfe hinweg leitet. Preis: 1.249,50 Euro

Mercedes-Benz E400 Cabriolet

V6-Motor (längs), 2.996 cm³ (Bi-Turboaufladung)
333 PS bei 5.250 – 6.000 U/min
480 Nm bei 1.600 – 4.000 U/min
5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h
VMax 250 km/h (elektr. abgeregelt)
Kombinierter Verbrauch 7,6 – 7,9 l/100km (CO2: 178 – 185 g/km)
Testverbrauch 8,7 – 11,4 l/100km
Modellgrundpreis 60.868,50 Euro
Testwagenpreis 79.432,50 Euro

Text/Fotos: Fabian Meßner