Vier Räder, einen Motor und eine Handschaltung. Mehr braucht es zum Fahren nicht und mehr, hat mich ganz ehrlich, auch beim GT86 nicht interessiert. Dem vorgesteuerten Alltag entfliehen, das echte und wahre Fahrgefühl erleben, der Straße so nah wie sonst nur noch die Indianer mit dem Ohr, die hören wollen ob du gleich um die Ecke kommst. Eine Fahrmaschine in ihrer reinsten und natürlichsten Version.
Es ist Nacht. Du gehst auf den GT86 zu. Die Ambiente Beleuchtung im Innenraum geht an, er weiß, dass du da bist. Ein Griff in den Türgriff und das Keyless-Go System entriegelt das Auto. Einsteigen, tief rein, weit unten knapp 40 Zentimeter über dem Boden hat das „Popo-Meter“ die ideale Position, um quasi schon direkt mit der Straße zu sprechen. Der Sitz: eng. Perfekt für mich. Er greift zu und hat dich fest im Griff, besonders die Polster im Schulterbereich geben in den Kurven extra Halt. Drück mich. Los tu es! „Engine Start/Stop“ gedrückt, der Boxer dreht auf. 1.500 U/min müssen es zum warm werden schon sein bevor er sich langsam auf seine Leerdrehzahl von knapp 700 U/min einpendelt. Die Handbremse lösen, den ersten Gang einlegen. Ein deutliches Klack des Getriebes bestätigt: Gang ist drin. Eben etwas puristischer als in heutigen Autos.
Vorsichtig aus der Ausfahrt rausrollen. Gemütlich, wir wollen doch keinen aufwecken…oder doch? Ach nein, beherrsch dich Junge, der Motor ist doch noch kalt. Die Nachbarn kriegst du auf der Heimfahrt. Auch wenn die zweiflutige Abgasanlage nicht übermäßig laut ist, die Nachbarn werden zu hören bekommen, wenn ich wieder zurück bin. Also erst die gemütliche Schiene, kann er auch der GT86, nur unterhalb von 2.500 Umdrehungen zickt er ein wenig, auch wenn das sonore tiefe Brummen bei einem Gasstoß unterhalb der 1000er Markierung so klangvoll ist, er mag das nicht besonders.
Ein paar Einfahrminuten später…
Da ist sie endlich die Landstraße, das Reich des GT86, er kann auch Stadt und Autobahn, aber zwischen den Dörfern da lebt er auf, dort wo auch ein etablierter Hatchback keine Chance mehr gegen ihn hat. Noch nicht ganz warm, daher im dritten Gang einfach mal drauf. 3000, 4000, 5000 und jetzt dreht er noch schneller gen 7000er Marke – die rote LED leuchtet auf, ein kurzer Weg in der Sechsgangbox und der nächste Gang ist drin. Die knackige Sechsgangschaltung hat extrem kurze Schaltwege, welche so manches Automatikgetriebe alt aussehen lässt. Gefühlt würde ich nur noch ein Doppelkupplungsgetriebe als wirklich schneller bezeichnen, alles andere kann einpacken, sich schämen gehen und zurück an die Werkbank. Das ist Autofahren in der reinsten Form, ich bin Herr der nächsten tausend Kurven bis die Tanknadel dem roten Bereich nahe kommt. Kein Untersteuern wie etwa die Hatchback-Konkurrenz, die eben nicht über ein Sperrdifferential verfügt und schon an der ersten Kurve versagt, chancenlos nach außen rutscht, während der GT86 noch locker innen überholt und mit frechem Fauchen aus der Abgasanlage vorbei zieht. Während sich der GTI Fahrer überlegt, ob er im Leben alles richtig gemacht hat, bin ich mit dem GT86 schon zwei Kurven weiter.
Es ist kaum zu beschreiben wie spielend sich der GT86 über die Landstraßen zirkeln lässt, selbst Bodenwellen steckt das Nordschleifen-Fahrwerk weg. Mal wieder eine Gerade, der GTI taucht wieder im Rückspiegel auf, hat aber Probleme mit der Straße, jede Welle schüttelt die ganze Karosserie durch. Es wird Zeit das wir ihn erlösen, die Haarnadel voraus sollte ihm den Rest geben. Zweiter Gang, der Boxer schreit auf, ein wenig Gummiabrieb am Kurvenausgang und wir sind weg. Der GTI ward nicht mehr gesichtet.
Die Flucht aus dem Alltag in der Garage
In zwei Wochen habe ich mich des Öfteren selbst dabei erwischt, wie ich der Toyota Werbung gefolgt bin. Das schlimme, du kannst nicht wirklich etwas dagegen tun. Der Tisch voll mit Notizzetteln, der Desktop zeigt Texte und Bildbearbeitungsprogramme die beide bearbeitet wollen. Ein Windhauch. Unter einem Notizzettel blitzt das Toyota-Emblem des Schlüsselanhängers hervor. Schon ist es um dich passiert. Du willst es! Vergiss die Arbeit. Gönn dir etwas, nein, tu es einfach. Nimm den Schlüssel. Der Entscheidungsprozess ist eigentlich schon getan sobald der Schlüssel zu sehen ist. Ab in die Garage, da wartet er, macht auf unschuldig und doch weiß er genau, er hat mich im Griff.
Aber nicht nur im Büroalltag verführt dich das Sportcoupé, nein auch, wenn du eigentlich „nur mal kurz“ etwas besorgen wolltest. Schon automatisch nimmst du nicht den schnellen und wohl auch direkteren Weg über die Autobahn. Nein da war doch noch so eine andere Straße, die kaum noch genutzt wird. Der Weg ist das Ziel. Ähnlich verläuft es sich auch in der Stadt. Stau voraus, schnell in eine Seitenstraße und zur Not außen herum, die Stuttgarter Steigen rauf und auf der anderen Seite wieder runter. Die tägliche Drehorgie, schlecht fürs Punktekonto, gut fürs Lebensgefühl.
Hat der Toyota GT86 hingegen noch mehr zu bieten als nur die Lebensverbesserenden Maßnahmen? Nicht wirklich, aber das will er auch gar nicht bieten. Navi, Klima, sogar zwei Notsitze, die Lisa nach einer kurzen Mitfahrt als kurz gesagt „eng“ beschrieb – diese umgeklappt öffnen sogar ganz neue Welten, der minimalistische Kofferraum wird plötzlich riesig – alles da, doch es ist kein Luxuskreuzer, ein Sportcoupé in dem Alcantara-Bezug einen Nutzen hat und nicht nur schöne Zierde ist. Eine durch die Toyota-Direkteinspritzung sparsame Kampfansage an alles, was es da draußen zu kaufen gibt. Schneide das Dach ab und es gibt das ultimative „Frei-Gefühl“.
Um abschließend noch die Frage Turbo oder Sauger zu klären, denn bisher ist nur eine leistungsgesteigerte Version des Subaru BRZ names STi geplant. Ob Toyota diesbezüglich noch etwas tut bleibt fraglich, aber auch sehr unwahrscheinlich. Denn die Idee hinter dem Auto, war das Auto so umzusetzen, wie es nun zu kaufen ist. Ein hochdrehender Sauger mit Direkteinspritzung. Das ist den Ingenieuren gelungen. Meiner Meinung nach braucht es für den Normalverbraucher keinen Turbo im GT86, im Competition-Einsatz wird jedoch kein Weg daran vorbei führen. Zur Form braucht es auch keine Worte mehr, vom 2000GT inspiriert, tadellos umgesetzt. Ein würdiger Nachfolger für den AE86, von dem auch die 17 Zoll-Felgen inspiriert sind, die ab Serie aber auch irgendwie zu klein für den gewachsenen Nachfolger sind. Die 215/45 R17 wirken in der Heckansicht irgendwie zu schmal für die Radhäuser, die mich bei den letzten Aufnahmen irgendwie dann doch stark an den Nissan GT-R erinnert haben. Aber Toyota selbst kann hier mittels des TRD-Kit Abhilfe schaffen: schwarze 18 Zöller mit 225er Pneus und ein dezentes Bodykit.
Ein Fazit? Würde ich mir lieber sparen, denn es erinnert mich nur daran, dass ich den GT86 wieder abgeben musste. Für mich zu Recht eine der besten Neuerscheinungen in diesem Jahr, in seinem Segment ohnehin die Nummer eins. Es war eine gute Entscheidung von Toyota wieder ein Sportcoupé zu bauen, dass zudem auch sparsam unterwegs sein kann, es gibt sicherlich Makel, ein Klappern des Armaturenbretts wird wohl nach 20.000 Kilometer oder auch ein wenig mehr nicht auszuschließen sein. Meine Erwartungen an das Auto wurden übertroffen, es ist kein Luxuswagen, es ist ein Spaßauto, das auch im Alltag genutzt werden kann. Ich bin dann mal 30.000 Euro zusammen suchen.
Der Toyota GT86 im Fazit auf Mein Auto Blog, sowie auf passion:driving.
Text: Fabian Meßner
Fotos: Fabian Meßner
Toyota GT86 2.0 Boxer 6M/T
Vierzylinder-Boxermotor D-4S 1.998 cm³
200 PS bei 7.000 U/min
205 Nm bei 6.400 – 6.600 U/min
7,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h
VMax 226 km/h (Werksangabe)
Kombinierter Verbrauch 7,8 l/100km
Testverbrauch 6,5 – 7,7 l/100km
Grundpreis: 29.990 Euro
[Eventuell 390 Euro extra für die Parksensoren bereithalten, ansonsten ist Einparken nur den Fortgeschrittenen vorbehalten.]
13 Gedanken zu „Purismus zum kleinen Preis: Toyota GT86 Fahrbericht“
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