Mit dem Kia Optima haben die Koreaner Anfang 2012 den Einstieg in das hartumkämpfte D-Segment gewagt, in seiner Heimat Asien, sowie auch in den USA ist die Produktion bereits aufgestockt worden, damit die Nachfrage nach Peter Schreyers (ehemals Kia-Chefdesigner) Meisterwerk gestillt werden kann. Ob der extravagante Koreaner hierzulande eine Chance gegen A4, C-Klasse und Co. haben wird, klärt der Testbericht.
„Mit unserer neuen Limousine haben wir ein Fahrzeug geschaffen, das niemand von uns erwartet hat – und genau das wollten wir erreichen!“ – Peter Schreyer, Kia Chefdesigner.
Weiter vergleicht Schreyer das Design mit einem „perfekt sitzenden italienischen Anzug“, was angesichts der red:dot Auszeichnung auch gar nicht so weithergeholt scheint. In einer Produktdesign Kategorie erhielt der Optima den „red dot: best of the best 2011“, die höchste Auszeichnung im Wettbewerb, die für wegweisende Gestaltung vergeben wird. Noch Fragen? Im vergangenen Jahr ging eben jener Preis an den Porsche 911 (991), der Optima befindet sich also in bester Gesellschaft. Nicht weniger wichtig war in diesem Sinne auch der Gewinn des „iF product design award 2011“. Über das Design ist in diesem Fall alles gesagt, bei zwei solch bedeuteten Preisen fällt es schwer dagegen zu argumentieren. Doch wozu auch, der Kia Optima setzt sich weit von der Konkurrenz ab, die sich selbst zwar gut in die Markenstruktur eingliedert, aber dadurch auch kaum noch von Modellen höherer oder sogar einer niedrigen Klasse zu unterscheiden ist.
Alles ist etwas anders, als es der biedere deutsche Autokäufer gewohnt ist, wohl auch deswegen gelingt dem Optima in Deutschland bisher nicht wirklich der Durchbruch. Trotz einiger Vorzüge, wie dem langen Radstand von 2,80 Meter – kommt vor allem den Fondpassagieren zu Gute – oder dem abwechslungsreichen Design, das für verdrehte Hälse sorgt. Ganz von den optischen Vorzügen gegenüber der Konkurrenz, die sicherlich nicht nur Individualisten sondern auch von der deutschen Einfältigkeit gelangweilte Käuferschichten anspricht, bietet auch der Innenraum, das gewisse Mehr. In der höchsten Ausstattung Spirit, die preislich noch günstiger liegt, als vergleichbare Konkurrenten, gibt es vollelektrische Sitze vorne (keine Höhenverstellung Beifahrer), Memory-Funktion, Sitzheizung sowie Sitzbelüftung für den Fahrer (nur einzeln wählbar, kein Parallelmodus), sogar Sitzheizung auf den äußeren Fondsitzen ist ohne Aufpreis verbaut. Diese heizt, wenn der Optima im kalten Zustand ist nicht sofort, aber einmal warm wird der Hintern auf der höchsten der zwei Stufen gut durchgegrillt. Wird die Sitzheizung einige Minuten nach der Zündung betätigt ist diese in weniger als einer Minute auf Betriebstemperatur.
Die Teilleder-Ausstattung ist für den niedrigen Einstiegspreis von 33.090 Euro in der Spirit Ausführung ordentlich verarbeitet, so sind die Sitze auch auf langen Fahrten sehr angenehm gepolstert, der Seitenhalt könnte allerdings ein wenig verbessert werden. Das Lederlenkrad mit der Einlage in Holzoptik gibt es erst gegen Aufpreis im Paket von 1.190 Euro macht aber einen noblen ersten Eindruck. Auch wenn hier kein echtes Wurzelholz oder ähnliches zum Einsatz kommt, versprüht die Holzoptik doch einen Hauch Luxus im Optima, was dem Koreaner unglaublich gut steht.
Die zum Fahrer hin orientiere Mittelkonsole zeichnet sich durch große, sicher treffbare Knöpfe aus, die hauptsächlich das große Navigationssystem bedienen. Etwas tief und förmlich von Knöpfen überladen ist die darunter angeordnete Einheit der Klimaanlage. Das 6,9 Zoll große Touchscreen-Navigationssystem ist technisch baugleich mit dem bereits im Kia cee’d getesteten, was dadurch auch dieselben Probleme mit sich bringt, wie etwa die schlechte Lesbarkeit bei starker Sonneneinstrahlung. Dazu ist die Bedienbarkeit um ein geringeres schlechter als noch im cee’d, eventuell kommt hier eine ältere Software zum Einsatz, denn der Touchscreen verlangt des Öfteren nach einem gewissen Nachdruck. Die Ansage, die komplett die Media-Wiedergabe, ausgenommen vom Tieftöner in der Hutablage, übertönt wird dadurch etwas nervig. An der Schnelligkeit der errechneten Routen gibt es dennoch nichts auszusetzen. Dem Wunsch etwas mehr Mittelklasse auch im Navigationssystem einzubringen kommt Kia schon im März nach, wenn endlich auch Google (und damit so gut wie alle angebotenen Dienste) mit integriert werden.
Des Optima liebstes ist die Autobahn. Egal ob bei 100 oder 160 km/h, auf der Autobahn fühlt sich der Optima am wohlsten. Der Stopp & Go-Verkehr in der Stadt liegt im und vor allem der Sechsgangautomatik so gar nicht. Die für die Automatikversion nicht angebotene Start/Stopp-Automatik – lt. Kia Deutschland wegen mangelnder Nachfrage nicht angeboten – würde dieses Problem auch nicht aus der Welt schaffen. Mehr liegt es an der Automatik selbst, die im Stadtverkehr etwas unruhig schaltet und selbst bei langsamen Fahrmanövern vehement über einen gefühlt längeren Zeitraum (unterhalb einer Minute) irgendwo oberhalb der 2.000 Umdrehungen den Motor aufheulen lässt, aber erst nach mehr als einer Gedenksekunde den nächsten Gang einlegt. Der manuelle Modus ist auch nur sehr begrenzt nutzbar, scheint doch intern genau vorgegeben zu sein, wann welcher Gang eingelegt werden darf, so bleibt dem Fahrer nie die völlige Freiheit. Dafür streikt die Automatik wenigstens bei steiler Bergabfahrt nicht und überlässt dem Fahrer per manuelle Gang Wahl die Gewalt über die Motorbremse. Auch ein kurzer Ausblick auf die Schaltpaddles, die optisch nach Aluminium aussehen, aber leider nur aus Plastik sind. Das soll nicht das Problem sein, eher noch, die Anordnung. Sind sie doch nicht direkt am Lenkrad befestigt, wie etwa bei Audi oder Mercedes-Benz, sondern stehen etwas ab, sodass auf der „Dreiviertel-Drei“-Haltung das Lenkrad nie völlig umfasst werden kann – die Paddles behindern die eigenen Finger.
Der Highway Rowdy wird mit dem Optima nicht glücklich, denn bei exakt 200 km/h ist der Raserei ein Ende gesetzt, bis dahin macht er eine gute Figur, das Fahrwerk federt sehr straff Wellen ab, gibt durch die etwas härtere Abstimmung aber ein sicheres Gefühl für schnelle Fahrten. Was dahingegen ein wenig Sorgen bereitet ist die Bremse, die bei nasser Fahrbahn bei mittelstarker Verzögerung für leichtes Schlingern bzw. „aufschwimmen“ der Karosserie sorgte – von 180 km/h auf etwa 100 km/h (LKW musste unbedingt überholen). Ein Pluspunkt ist die extreme Reichweite des 70 Liter fassenden Tanks, der in diesem Test für unglaubliche 1060 Kilometer ausreichte. Davon waren 90% Autobahnfahrt, die auch zu 40% mit Vollgas genommen wurden. In den etwas langsameren Baustellenpassagen sollte andererseits nicht zu viel Vertrauen in den aktiven Spurassistenten gelegt werden, der durch eine „Hands on“ Meldung auch signalisiert, dass er kein computergesteuerter Fahrerersatz ist. Des Weiteren stellt sich gerade bei einer engen Fahrbahn bei aktiven und sehr hektischen Eingriffen schnell ein Gegenpendeln ein. Also in keinem Fall die Hände vom Lenkrad nehmen!
Ist der Optima für den Kampf mit den deutschen Premiumherstellern also bereit oder nicht? Optisch auf jeden Fall, wenn er in diesem Punkt nicht schon in Führung liegt, auch der Motor muss sich keinesfalls verstecken. Mit der Technik sind die Koreaner auf einem guten Weg, die Besserung wurde mit der Google Integration in die Navis auch schon verkündet, wo der Hase allerdings noch gegraben liegt, ist die nervöse Sechsgangautomatik. Vielleicht sollte sich Kia hier einfach am neuen Doppelkupplungsgetriebe bedienen, das in der Topmotorisierung im cee’d verbaut wird – auf Nachfragen hierauf konnte noch keine definitiv Aussage getroffen werden.
Kia Optima 1.7 CRDi Spirit
Vierzylinder Reihen-Motor (quer) 1685 cm³
136 PS bei 4.000 U/min
320 Nm bei 2.000 – 2.500 U/min (Automatik)
11,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h
VMax 197 km/h
Kombinierter Verbrauch 6,0 l/100km
Testverbrauch 5,8 – 6,3 l/100km
Modellgrundpreis: 33.090,00 Euro (Spirit)
Testwagenpreis: 36.010,00 Euro
Text: Fabian Meßner
Fotos: Kia / Fabian Meßner
2 Gedanken zu „Kia Optima: Langläufer mit aufregendem Design“
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