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Kein Vergleich nötig: Ford Focus ST Fahrbericht

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Mit der dritten Generation Ford Focus wich im ST der Fünfzylinder-Turbomotor, der in der stärksten Ausbaustufe im RS500 für 350 PS sorgte, einem ebenfalls aufgeladenem Vierzylinder ecoboost Triebwerk. Die Leistung stieg von 225 auf 250 PS, doch eine wichtige Sache blieb auf der Strecke: die Tradition.

Ein Focus ST der „alten Schule“, wenn man so will, war schon nicht ganz ohne. Die RS-Modelle waren bedingungslos auf die Rennstrecke ausgelegt. Auch ein ST konnte einen Ausflug wagen, bot dabei auch noch etwas Restkomfort. Mit der Einführung des ecoboost-Motor wollte Ford gleichermaßen die Kundschaft erweitern und holte zu einem Mega-Spagat aus. Dieser wiederum ging nach meinem Ermessen, wie auch im Ersteindruck angerissen, mächtig in die Hose. Der ST soll alles bieten, Sport und Komfort sowie Alltagstauglichkeit. Für den Turnier kann man dies eventuell sogar noch unterschreiben, der Fünftürer jedoch kann die großen Fußstapfen seiner Vorgänger nicht ausfüllen.

Der Grund ist ganz einfach: einen ordentlichen Motor zu entwickeln und dann nicht die nötigen Teile an die Leistung anzupassen, das vermag für Komfort und Alltag ausreichen, doch für Sportlichkeit muss etwas mehr getan werden. Dieses Mal habe ich mich schlau gemacht, Datenblätter gewälzt. Und siehe da, ich wurde fündig. Relativ schnell sogar. Ein Focus ST unterscheidet sich zu einem Basis-Focus (teilweise in der Ausstattung Titanium) marginal. Eigentlich noch weniger als marginal. Das manuelle Sechsgangetriebe ist identisch, abgesehen von der Übersetzung in den ersten drei Gängen, hier ist der ST noch etwas beschleunigungsfreudiger ausgelegt. Danach gleichen sich die Werte fast wie ein Ei dem anderen.

Insbesondere die Bremsanlage ist exakt die gleiche, wie auch in der Ausführung Titanium verbaut wird, abgesehen von minimal größeren Scheiben. Die bisherigen Punkte sind alle noch vertretbar, denn es wird heutzutage im Baukasten-System gearbeitet, da ist mehr Angleichung mit zu viel Kostenaufwand behangen. Wo aber bei 250 PS und 360 Nm niemals gespart werden sollte ist an der Aufhängung! Das Fahrwerk, die Teile, welche die Leistung auf der Straße halten sollen. Gleiche Spur, gleiche Buchsen, gleiche Dreieckslenker. Hier reicht es nach Meinung von Ford aus, die Stabilisatoren um wenige Millimeter zu verstärken und gut ist. So gut, dass der Focus ST ständig über die Vorderachse schiebt, nie den nötigen Grip aufbauen kann und bis in den dritten Gang die Straße abstempelt. Vielleicht wäre ein richtiges Sperrdifferential die sinnvollere Variante gewesen statt der „TVC“ genannten Torque Vectoring Control alias ESP-Bremser.

Immerhin lässt sich das ESP (inkl. TVC) komplett abschalten. Dann wiederum wird die hemmungslos überforderte Vorderachse noch ersichtlicher. An Vollgas gegen Kurvenausgang wäre nie zu denken, selbst Halbgas verpackt die Vorderachse nicht. Wer hier „Sport“ ausleben will, der muss das Gaspedal behutsam behandeln. Allenfalls als Autobahnsprinter ist er sportlich. Dann ist eine ruhige und präzise Hand am Lenkrad gefordert, denn ab 200 km/h kommen eine Menge Eigenbewegungen in den Kölner. 250 km/h gleichen dann dem Moment, wo jede kleine Erhebung in der Straße die letzte sein könnte.

Nun abgesehen davon, dass der Fiesta ST den Faktor Sport doch deutlich ernster nimmt, musst der Focus ST ein wenig als eine ganz eigene Klasse verstanden werden. Ford selbst will sich weder mit Golf GTI noch mit sonst wem vergleichen. Ein cleverer Schachzug von vorneherein keinen Vergleich anzubahnen. Sehen wir also die Attribute des Kölners nur für sich. Die Recaro-Sitze sind angenehm gepolstert mit dem Hauptziel Komfort. Das Lenkrad ist auch nur für sich betrachtet hinter jedem Trend zurückgeblieben, anders gesagt drei Speichen sind schöner als vier. Was mich persönlich extrem wunderte, dass das aktuell so stark beworbene Sync-System zwar mit dem Smartphone per Bluetooth spricht, aber keine Audiowiedergabe ermöglicht.

Die zusätzlichen, zum Fahrer gerichteten, Anzeigen auf dem Armaturenbrett sind vorbildlich. Ladedruck, Öltemperatur sowie Öldruck geben jederzeit Auskunft darüber, ob der Motor endlich die vollständige Betriebstemperatur erreicht hat – es dauert wirklich ewig bis die fünfeinhalb Liter Motoröl ihr ideales Fenster erreicht haben. Und nur für sich, ohne zu vergleichen, ist das dröhnende Sound-Symposer-Geräusch eines der mitunter schlechtesten, die ich bisher vernommen habe. Ich sage nicht wer es besser macht, aber ein System, dass sich erst nicht meldet und dann plötzlich ab 3.000 Touren mit voller Gewalt und „wummerndem Beat“ einsetzt, dass Bedarf noch einem Update. Was damit gemeint ist; es gibt keinen kontinuierlichen Aufbau des Motor-unterstützenden-sportlichen-Krawall. Es ist einfach irgendwann da oder auch mal wieder weg (hin und wieder gab es kleine Aussetzer im Test). Ich glaube ohne den technischen Schnick-Schnack wäre der Focus ST deutlich besser dran, denn in der Außenwirkung macht der 2,0-Liter ecoboost eine ganz nette Musik. Besonders das immer wiederkehrende Pop-off Geräusch des Turboladers.

Will zusammengefasst heißen, der Motor ist ein tolles Triebwerk, der eine knackigere H-Schaltung verdient hätte, sowie ein deutlich weniger gespreiztes Fahrwerk, das nicht weiß ob es komfortabel oder sportlich sein soll. Die Werte sind in diesem Segment, in dem der Focus mit keinem verglichen werden will, erste Klasse. Im Schnitt zeigte der Bordcomputer meistens zehn Liter an, was wiederum bei wiederholten Autobahnfahrten auch kein Wunder ist. Aus diesem Fenster hat er sich aber nie heraus gewagt. Viele innovative Ideen, wie etwa der Türkantenschutz machen den ST zum perfekten Alltagsauto, für das es nie ein Problem wird einen Überholvorgang zu starten. Hinter den Erwartungen, die „Sports Technology“ hervorrufen bleibt er dennoch zurück, es sei denn ich habe das letzte Definitions-Update verpasst.

Ford Focus ST „Leder-Sport-Paket“

Reihenvierzylinder (quer), 1.999 cm³ (Turboaufladung)
250 PS bei 5.500 U/min
360 Nm bei 2.000 – 4.500 U/min (380 Nm mit Overboost Funktion für 20 Sekunden)
6,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h
VMax 248 km/h
Kombinierter Verbrauch 7,2 l/100km (CO2: 169 g/km)
Testverbrauch 8,0 – 10,4 l/100km
Modellgrundpreis 27.950,00 Euro
Testwagenpreis 35.200,00 Euro

Text/Fotos: Fabian Meßner

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