Ein Pneu, der allen Bedingungen gleichermaßen gewachsen ist, ein sogenannter Allwetterreifen, scheint der Traum vieler Wechsel-Fauler zu sein. Michelin hatte sich noch im letzten Jahr lauthals gegen einen solchen Reifen geäußert und nun haben sie uns ihre ganz andere Interpretation eines Nicht-Allwetterreifen vorgestellt. Der Michelin CrossClimate ist ein Sommerreifen mit Winterreifen Spezifikation. Wir haben den neuen Pneu bereits getestet.
Immer wieder wird uns eingebläut, dass es sich beim Michelin CrossClimate nicht um einen Allwetterreifen handelt, denn nach den Ergebnissen des TÜV Süd, ist der neue Pneu deutlich besser als der Goodyear Vector 4 Seasons – Benchmark bei den Allwetterreifen. In gemessenen Daten heißt dies, ein gegenüber einem Sommerreifen ein um zwei Meter längerer Bremsweg (trocken; der Allwetterreifen versagt an dieser Stelle völlig). Ein in etwa gleich gutes Ergebnis auf der nassen Kreisbahn wie ein Winterreifen. Und selbst im Schnee (gerade Beschleunigung) schreibt der TÜV Süd dem neuen Pneu ein ähnlich gutes Ergebnis wie dem Winter und Allwetterreifen zu.
Die genormten Tests sind eine gewisse Grundlage, die in meinen Augen allerdings nicht immer zu 100% ausschlaggebend sein sollten. Denn gerade auf Schnee misst der TÜV Süd nur die Beschleunigung ab einem Roll-Zustand bis hin zu knapp über 40 km/h. Der Sommerreifen versagt völlig an der Schnee bedeckten Steigung, aber der Michelin CrossClimate will auch erst einmal in Bewegung gebracht werden. Denn zu Beginn dreht er genauso durch, wie auch der Sommerreifen. Nennenswerter Vortrieb stellt sich erst knapp über 5 km/h ein. Hier ist selbst der Allwetterreifen noch schneller am Start. Der Winterreifen, ein Michelin Alpin 5 läuft hier völlig außer Konkurrenz.
Wie sich der Michelin CrossClimate bei Schnee bedeckter Fahrbahn dynamisch verhält kann ich leider nicht sagen. Die einzige Aussage, die ich treffen kann, ist das er bei nass-kalter Straße (mit Schnee-Resten) sich ähnlich einem reinem Sommerreifen verhält und relativ schnell an Grip verliert. Wo er hingegen dem Allwetterreifen deutlich punktet ist die nasse Kreisbahn. Hier verliert der Allwetterreifen früher und extremer die Bodenhaftung und treibt entweder über die Vorder- oder Hinterachse aus. Bis die Bodenhaftung wieder vollständig hergestellt ist, vergeht mehr als eine Gedenksekunde.
Der CrossClimate hingegen agiert hier näher am Sommerreifen und rutscht maximal über die Vorderachse ein paar Zentimeter aus der Kreisbahn heraus, fängt sich allerdings schneller wieder und zieht nach innen. Mit anderen Worten auf der nassen Kreisbahn, wie auch bei der Trocken-Bremsung bestätigt sich das gute Ergebnis des TÜV Süd. Allerdings gilt es bei Schneefall skeptisch zu bleiben. Die Schneeflocke oder auch „3PMSF“ sagt, dass wir damit bei „winterlichen Verhältnissen“ fahren dürfen (lt. Gesetz), doch mein Bauchgefühl rät noch immer zum besseren Alpin 5, wenn es wirklich um Winter geht.
Für Wechsel-Faule, wie sie im Buche stehen, ist dieser Reifen die in meinen Augen bessere Wahl gegenüber einem Allwetterreifen. Denn im leichten „Schnee-Einsatz“, wie er im Flachland oft nur stellenweise auftritt, mag dieser Sommerreifen mit Winter-Spezifikation genau die richtige Wahl sein. Mit 8 Euro mehr gegenüber einem normalen Sommerreifen tut es auch im Geldbeutel nicht weiter weh. Ich persönlich werden weiterhin meine Räder wechseln, da ein echter Winterreifen nie durch ein Misch-Masch von Beidem ersetzt werden kann. Ein Grund wiederum, der für den Michelin CrossClimate als Sommerreifen-Ersatz spricht, sind die guten Ergebnisse auf der nassen Fahrbahn, hier lässt er den Sommerreifen alt aussehen.
Zur Technik: Wie hat Michelin diesen Reifen kreiert?
Die Mischung macht’s, das trifft auch auf diesen Reifen zu. Denn bei der Gummimischung hat Michelin den Fokus auf ein flexibles Temperatur-Fenster gelegt, was in einem EU-Label „A“ für die Reifenkennzeichnung auf nasser Fahrbahn resultiert. Auch unterhalb der Lauffläche wurden Optimierungen vorgenommen, in diesem Fall ein neues Mischverhältnis unter der Zugabe von Silica.
Das V-Profil (bekannt durch Alpin 5) optimiert die Haftung bei schneebedeckter Fahrbahn. Zum einen bei der Einwirkung der Seitenkräfte durch den Winkel des mittleren Profilteils und zum anderen bei der Einwirkung von Längskräften durch die größeren Winkel der Reifenschultern. In Kombination mit den 3D-Lamellen* wird der Reifen damit stabiler. Darüber hinaus optimieren die abgeschrägten Kanten der Profilblöcke die Verbindung zwischen Reifen und Fahrbahn. Einerseits wird so der Bremsweg auf trockener Fahrbahn verkürzt, andererseits verhelfen die Lamellen ein sehr gutes Bremsverhalten auf Schnee.
Wer will, kann ab Mai / Juni 2015 sein Auto mit den Michelin CrossClimate Reifen ausrüsten. Vorerst sind die Gummis von 15 bis 17 Zoll in den meisten Dimensionen (insgesamt 23 Größen) erhältlich. Im kommenden Jahr sollen noch weitere Dimensionen folgen.
* Sie sind so tief wie das Profil, stark gewellt, unterschiedlich dick, haben eine komplexe geometrische Anordnung und verbessern damit den Grip. Gleichzeitig optimieren sie die Traktion des Fahrzeugs. Durch die vertikalen und lateralen Wellen sind die Lamellen selbstblockierend.
Text: Fabian Meßner
Fotos: Michelin