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Der Ami unter dem deutschen Kleid: Opel Cascada Fahrbericht

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Komischer Titel oder? Der Cascada von Opel ist doch kein Ami. Naja Opel gehört noch immer GM und die sitzen nun mal in Amerika. Aber darum geht es mir gar nicht. Das Cabrio auf Basis des Astra erinnert mich zunehmend an das Fahrgefühl, dass amerikanische Wagen vermitteln.

Zum einen wäre dies mitunter als „die Freiheit des Autofahrens“, dahingleiten und so weiter. Das aber meine ich nicht, denn zum anderen ist für mich auch das Fahrgefühl darunter zu verstehen. Kein straffer Komfort, sondern eher durch sanfte Wellenbewegungen federt das Viersitzer Cabrio Stöße und Unebenheiten ab. Das dicke, gar wulstige Lenkrad passt gut in das Bild eines Ami. Die Plastiklandschaft im Innenraum, das können sogar die Amis besser, aber Opel bessert aktuell doch schon nach und rüstet auf ansehnlichere Evolutionsstufen des IntelliLink um. Weniger Knöpfe = mehr Übersicht. Noch aber ist es das Navi 650, was eben zu der bekannten „oh mein Gott, welchen Knopf brauche ich nun wirklich“-Überforderungs-Starre führt.

Für ein echtes Schunkelschiff der alten 70er fehlen dem Cascada zwar vier Zylinder, doch das mit der Spurtreue und Stabilität stellen sich die OPC Ingenieure hoffentlich zumindest in der Theorie anders vor. Zugegeben, für die über 1,7 Tonnen Leergewicht (vgl. Golf Cabrio 250 bis 300 kg leichter) liegt das Cabrio ganz ordentlich auf der Straße. Primär wohl aber auch erst durch das eigene Gewicht. Hätte ich nicht gelesen, dass eine ganz tolle „für den Rennsport entwickelte WattLink Hinterachse“ sowie „die aus den OPC Hochleistungsversionen des Insginia bekannte HiPerStrut Voderachse“ verbaut sein sollen, ich hätte es nicht geglaubt. Fassen wir das Fahren einfach kurz zusammen: Komfort ja, Sport nein. Vielleicht kann das FlexRide Fahrwerk das leichte schwimmen der Karosserie „herausfiltern“.

Fast 4,70 Meter misst das Stoffdach Cabriolet und mit Außenspiegeln sogar knapp über zwei Meter in der Breite. Ganz schön mächtig und dann ist da eben noch das vorher erwähnte Leergewicht. Da mag man doch meinen die Opelaner packen hier ordentlichen, wenn auch effizienten, „Bums“ unter die verhältnismäßig lange Motorhaube. 170 PS aus 1,6-Liter Hubraum sollte mittels Turboaufladung doch wohl ausreichen. Sollte man meinen. Gut der Cascada schafft nur 200 km/h laut Tacho obwohl er 222 km/h laufen soll, dass kann schon mal vorkommen. Dabei 6,3 Liter/100km im Drittelmix zu verlangen ist auch in Ordnung. Primär wird im Cabrio doch ohnehin nur bei „Cruising Altitude“ gesonnt. Wenn an der Tankstelle dann aber bis zu neun Liter Super Plusfällig sind, dann läuft etwas falsch. Ganz ehrlich, warum braucht der Motor bitte 98 Oktan. Bei den eher durchschnittlichen Leistungen, die er abliefert, hat er den guten Saft nicht wirklich verdient.

„Er bietet ein außerordentliches Drehmoment von bis zu 280 Newtonmetern bereits im niedrigen Drehzahlbereich ab 1.650 min-1 und ist auf vorbildliche Elastizität und hervorragenden Fahrkomfort bei besonders geringem Verbrauch und niedrigen CO2-Emissionen ausgelegt.“

Sorry Jungs. Seit ihr das Triebwerk mal gefahren? Es dauert eine ganze Weile, bis sich diese 280 Nm irgendwie entwickeln. Und untenrum passiert gleich drei Mal nichts. Eigentlich muss man immer alle sechs Gänge durchrühren, denn erst ab 3.500 Touren bewegt sich der neue Motor voran. Schaltfaul fahren geht, doch es dauert.

„Entscheidend für die beeindruckende Performance sind die Einführung der Direkteinspritzung für eine verbesserte Verbrennung, ein spontan ansprechender Turbolader für starken Durchzug schon bei geringen Motordrehzahlen“

Wenn das stimmen sollte, dann lief der Cascada wohl nur auf zwei Zylindern. Der Turbolader spricht an, doch effektiv tut sich darüber hinaus erst noch nichts. Das mit dem Durchzug stellt sich erst nach dem „Ansprechen“ des Turboladers ein. Aber ich will auch nicht zu viel am Motor herummeckern. Schließlich hat er mit über 1,7 Tonnen auch ordentlich zu schleppen.

Wichtig an einem Cabrio ist doch, wie es sich offen fährt. Und da kann der Rüsselsheimer genauso mit Golf und Co. mithalten, wie man es erwarten darf. Das Windschott hält die groben Verwirbelungen, zumindest in der ersten Reihe, draußen. Ohne Windschott wird es dagegen schon bei Stadtgeschwindigkeit ordentlich luftig um die Knie. Das muss durch die große Öffnung kommen, denn obgleich das Kompaktcabrio auch mit dem sprichwörtlichen „Schiff“ zu vergleichen ist, dieser Raum zeigt sich auch innen. Denn gegenüber dem Golf Cabriolet zum Beispiel können hinten auch problemlos Personen ohne Knieamputation sitzen. Dazu sei gesagt, ohne den Fahrersitz umzustellen!

Einen guten Rücken macht der Cascada geschlossen, wie geöffnet. Und das nicht nur wegen der Ergonmie-Sitze. Nein auch optisch dringt Opel hier in eine Liga vor, die historisch so nichts mit den Opelaner zu tun hatte – sieht man einmal vom Opel GT Ende der 60er Jahre ab. Schön gezeichnet ist das Cabriolet, vor allem im Hinblick auf die Vorgänger, die kantig, unproportioniert und irgendwie deplatziert waren. Hier wurde zu Ende gedacht. Auch als man sich entschied ein optionales Akustik-Verdeck anzubieten – falls es mal regnet, versteht sich. Denn bei den besagten 200 km/h ist weder offen, noch geschlossen eine zu hohe Geräuschkulisse zu bemäkeln.

Opel Cascada 1.6 SIDI „Edition“

Reihenvierzylinder (quer), 1.598 cm³ (Turboaufladung)
170 PS bei 4.250 – 6.000 U/min
260 Nm bei 1.650 – 4.250 U/min (280 Nm mit Overboost Funktion)
9,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h
VMax 222 km/h
Kombinierter Verbrauch 6,3 l/100km (CO2: 148 g/km)
Testverbrauch 7,3 – 9,0 l/100km
Modellgrundpreis 28.245,00 Euro
Testwagenpreis 36.580,00 Euro

Text/Fotos: Fabian Meßner

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