Als Allrad- und rein heck getriebene Variante kommt der Cadillac nach Europa. Für uns war es natürlich der spaßigere mir der Kennung RWD, der zur kurzen Probefahrt herhalten durfte. Es geht, sagen wir mal, etwas mühselig, das gefühlte Schwergewicht – laut technischen Daten nur 1530 Kilogramm – dezent mit leicht rauchiger Hinterachse aus einer Kurve herauszuholen. Bei einem für Europa vorgesehenen 2,0-Liter Turbomotor ist das aber auch nicht anders zu erwarten.
Erschreckend trotzdem die Hochrechnung des Bordcomputers, nicht einmal 400 Kilometer sollten wir mit einer Tankfüllung von knapp 62 Litern kommen. Durstige 276 PS, die da unter der Haube warten. Und das obwohl bei dichtem Verkehr wirklich nicht viel „ging“, wie man so schön sagt. Für’s Cruisen sind die Amerikaner ohnehin besser gebaut, als für schnelle Kurven oder flotte Bergpassagen.
Und das Cruisen macht er gut, das Bremsen noch deutlich besser. Kein Wunder, denn ein Blick ins Datenheft verrät es sind Brembos, die hier zupacken. Die ZF Zahnstangenlenkung dürfte ruhig etwas sportiver und weniger auf Komfort ausgelegt sein, doch wie gesagt Cruiser not a Racer. Innen gemütliches Leder, das zum verweilen einlädt. Hier sitzt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach einer langen Fahrt noch angenehm.
Das Verhältnis Einkaufspreis zu Leistung ist gar unschlagbar in dieser Klasse. Bereits knapp unter 40.000 Euro ist der Turbo-Vierzylinder zu haben. Andere Marken, Premiummarken, denen Cadillac Kunden abwerben will, benötigen da aktuell für die Benziner meist noch zwei Zylinder mehr. Dafür profitieren die dann aber auch wieder von hoher Laufkultur und einem ruhigeren Innenraum. Als sportlich würde ich das Geräusch nicht unbedingt beschreiben, für ein Auto dieser Klasse, das durchaus mehr Luxus als Rennwagen-Attribute versprühen will, darf der Innenraum gerne etwas besser vom Motorraum abgeschirmt sein.
Das Drehmoment von 353 Nm steht zwischen 3.000 und 4.600 Touren und damit doch etwas spät an. Hält man die Drehzahl aber genau in diesem Bereicht geht es immer gut vorwärts, wäre die konventionelle Sechs-Gang-Wandlerautomatik manchmal nicht so hektisch unüberlegt. Für komfortables cruisen perfekt ausgelegt, ist „hastiges“ Angasen eher ungewollt, im D-Mode kann sie damit nicht wirklich gut umgehen und verschaltet sich auf gut deutsch manchmal. Ich schreibe das mal dem von Acht-Gang-Automaten und Doppelkupplungsgetrieben verwöhnten Fahrstil zu.
Das ideale Fahrgebiet für einen Caddy ist eben der Highway, pardon die Autobahn. Dort lässt es sich ohne Probleme im Verkehr mitzuschwimmen, wenn es sein muss sogar bis 240 km/h. Ich bin mir sicher, dass die Assistenzsysteme wunderbar funktionieren, leider wollte der Abstandstempomat an diesem heißen Tag in Frankfurt nicht. Kann ja mal passieren. Immerhin das Head-up Display ist erste Sahne und für Amerikaner ziemlich fortschrittlich. Ebenso wie das Navigationssystem bzw. hier CUE genannt.
Auch wenn ich kein Freund von Touchscreen-Bediensystemen bin, die völlig ohne Knöpfe auskommen wollen. Es ist ein riesiges Display das allerhand Informationen verarbeiten kann. Immerhin Anleitungen benötigt man dafür bestimmt nicht mehr, das funktioniert ganz von alleine. Schauen. Kapieren. Entscheiden. Ganz einfach gehalten, bei etwas mehr Druck gibt es auch leichte Vibrationen als Feedback. Wer das nicht braucht, der streicht nur dezent drüber, dann bleibt der Vibrator aus. Oberster Pluspunkt: dieses System ist Standard!
Zuletzt die Optik. Amerikaner sind schön geworden, noch immer tragen sie die Protzigkeit , die immense Größe in sich, doch sie haben auch zarte Linien bekommen. Nein war nur ein Spaß; Amis sind und bleiben mächtige Straßenkreuzer, das spiegelt jede noch so kleine Designlinie wider. Die weit nach oben gezogenen Scheinwerfer in der Front lockern meines Erachtens die Front etwas auf und lassen sie nicht mehr ganz so kräftig erscheinen. Das Heck, macht an. Zwei fast zentrierte Rohre aus Edelstahl. Mit Sicherheit wäre hier beim V6 der bessere Klang abzunehmen, aber was solls. Wir müssen doch alle etwas effizient sein. EURO5 und 8,2 Liter/100km Normverbrauch heißt das bei Cadillac. Reicht für heute aus, für morgen wahrscheinlich auch noch, aber übermorgen, da sollten sich der GM Konzern etwas überlegen.
Text/Fotos: Fabian Meßner
Innenraum: Cadillac