49 und 8, zwei willkürlich gewählte Zahlenpaare, die uns letztes Wochenende begleiten sollten? Weit gefehlt – #Mission49-8 stellt quasi unverblümt das Ziel des Projektes „208 HYbridFE“ dar.
Dabei spielen für die Entwicklung des Prototyps genau o. g. Werte eine entscheidende Rolle. Der Mineralölkonzern TOTAL unterstützt den französischen Automobilhersteller bei der Realisierung eines neuen Hybridfahrzeugs, welches auf dem Peugeot 208 basiert und ähnliche Leistungswerte wie der GTi haben soll. Im Klartext: 49 Gramm CO2-Ausstoß pro km und der Sprint von 0 auf 100 km/h soll in acht Sekunden absolviert sein (Höchstgeschwindigkeit 170 km/h). Notwendig sind dafür lediglich 109 Pferdestärken! Dass für dieses eigentlich so kleine Projekt mehr als fünf Millionen Euro an Budget festgelegt wurden und insgesamt 15 Mitarbeiter bei Peugeot Sport ein Jahr lang zusammen mit den Ingenieuren und Chemikern von TOTAL in die Hände spucken, zeigt wie wichtig dieses Konzeptfahrzeug für die Löwen ist. Fun & Efficient, so die in Worte gefasste Zielsetzung.
Doch wie kann diese anspruchsvolle Erwartung auch realisiert werden?
Vor allem durch zwei Schwerpunkte bei der Entwicklung: ein aerodynamisches Design mit einem phänomenalen cW-Wert und satte Gewichtsreduktion durch neue Werkstoffe.
Sylvain ist für das Design zuständig, die letzten Generationen des Kompakten entsprangen ebenfalls seiner Feder. Er wurde extra von der Markenmutter Peugeot freigestellt um auf dem kleinen Gelände von Peugeot Sport der 208-Plattform einen neuen Maßanzug zu schneidern. Das Design weicht kaum vom Serienmodell ab, allerdings sind die Proportionen verändert: 2 cm wurden hinten sowohl unten als auch an der Dachlinie eingespart, woraus eine stärker ausgeprägte Stromlinienform resultiert. Die mit dem Torso eines Hais zu vergleichen wäre. Die Radkästen wurden ein wenig tiefergesetzt, beherbergen aber 19“ Leichtmetallfelgen mit schmalem Profil (145/65 R19), wodurch weniger Widerstand durch Reibung am Reifen wirkt. Spezielle Abdeckungen verhindern Luftverwirbelungen, die von den Öffnungen der Felgen ausgehen. Im Übrigen wurde auch die Spur um satte 20 cm verringert, was allerdings durch die Wahl der Bereifung überhaupt nicht negativ anzukreiden ist. Manche haben wohl auch schon bemerkt, dass sich die Tanköffnung zentral am Heck befindet – hier geht es diesmal nicht nur um den Luftwiderstand der Klappe, sondern um eine Kostenersparnis.
Vorne bemerkt man kaum Eingriffe, lediglich die Außenspiegel wurden komplett gestrichen: hier werden künftig Kameras ein Bild jeweils links und rechts in den breiten Rückspiegel übertragen. Dafür werden abermals Luftwiderstand und Verwirbelungsquelle vermieden. Des Weiteren scheinen die Schulterlinien nun wesentlich stärker ausgeprägt und auch die kleinen „Flossen“ über den Rückleuchten mit mehreren Führungsrillen auf der Leuchte fallen direkt in’s Auge. Summa summarum ergibt das einen sehr guten cW von 0,25 (die endgültige Messung erfolgt diese Woche) Rocket science?
Ja, zumindest was die Offenheit für neure Materialien angeht. Man mag es kaum glauben, aber die Motorhaube wiegt nur noch die Hälfte im Gegensatz zu der des normalen 208. Verantwortlich hierfür ist ein neuer Verbundfaserstoff von CCP Composites, der durch das aufgießen von Kunststoff-Ester-Harz auf Kohlefaser zu einem hauchdünnen, dafür aber äußerst steifen Gewebe verklebt wird. Man hält also nur noch eine Motorhaube, im Querschnitt wenig dicker als ein paar Bögen Papier, in der Hand, die problemlos mit wenigen Fingern gehalten werden kann. Die gleiche Technik wird auch an der Frontstoßstange Anwendung finden. Die vorderen Kotflügel sind dagegen aus ultraleichtem Aluminium gefertigt. Der Rest des Fahrzeugs hebt sich in der Halle alleine schon von der Farbe ab, denn die komplette Außenhaut besteht ebenfalls aus Plastik, Kohlefaserverstärktem Kunststoff. Rennsporttechnik zum Anfassen, wortwörtlich. Der CFK-Unterboden spart nicht nur Gewicht ein, sondern leitet auch die Luft souverän als Diffusor unter dem Fahrzeug hindurch.
Im Inneren wird voraussichtlich die gleiche Optik wie im 208 GTi einziehen, allerdings spielt man mit den Gedanken die Verkleidungen auch mit dem neuen Kunststoffgewebe zu gestalten. Zudem würden dadurch auch neue Individualisierungsmöglichkeiten ermöglicht werden. Die Modellierung des Innenraumbodens aus Carbon steht dagegen schon fest.
Vorteilhaft für die Insassensicherheit ist die Erhaltung des regulären Chassis, die genügend Raum für die Technik im 208 HYbridFE bietet. Die Wahl des Spenderherzen fiel auf den 1.0 l Dreizylinder, der schon von vornhinein ein sehr geringes Gewicht mit sich bringt. Dazu gesellt sich der 120 kW-Elektromotor mit dem 91-Zellen-Lithium-Ionen-Akkupack (350 V Spannung, 25 kg), das erfolgreich bei den 24h von Le Mans 2011 im Technologieträger, dem Peugeot 908, getestet wurde. Die Leistung des E-Motors wurde allerdings für den Kompakten auf 100 kW-Spitze gedrosselt. Während der Entwicklung fiel den Ingenieuren allerdings auf, dass eine Erhöhung des Hubraums anders als gedacht einen positiveren Effekt auf die Kraftstoffersparnis ausübt, da der Atkinson-Verbrennungszyklus (auch im Toyota Prius Plug-in zu finden) das Leistungsdiagramm mau ausfallen lässt. Wer daran mehr Interesse hat, wird unter dem Suchbegriff „Atkinson-Zyklus“ oder „reverse flow combustion“ fündig. In der Kurzform: die Verdichtung fällt geringer aus, was Kraftstoff einspart und den Motor „effizienter“ macht, dafür aber Leistung eingebüßt wird.
Da die abermalige Überarbeitung des Motorblock und Zylinderkopf ohnehin auf dem Programm stand, bereitete die Umsetzung der zusätzlichen 200 ccm Hub wenig Probleme: man erhielt auf einen Schlag eine bessere Kraftstoffeffizienz, mehr Drehmoment, wodurch eine bessere Beschleunigung resultiert bei gleicher Leistung. Aufgrund des engen Zeitplans, musste jedoch darauf verzichtet werden ein gänzlich neues Getriebe herzustellen, deshalb wurde kurzerhand das Fünf-Gang-Automatikgetriebe übernommen. Jenes stellte die cleveren Köpfe der Sportabteilung aber vor eine neue Herausforderung, schließlich muss der „einfache“ Kraftübermittler nun auch noch die Belastung durch den E-Motor ertragen. Die schlichte Lösung: die Stärke des Elektromotors bei der Beschleunigung auf 40 kW zu limitieren, was noch immer reicht, um die Vorgabe des Beschleunigungswerts zu erfüllen. Die maximale Rückgewinnungsenergie beträgt weiterhin 100 kW! In der Realität sind so Elektromotor, Steuereinheit und Getriebe als eine Einheit mit dem Motor verknüpft. Die Ausmaße sind lediglich marginal größer, da nun auf den Rückwärtsgang des Getriebes verzichtet werden konnte. Diese Aufgabe erfüllt der direkt an das Differenzial angeschlossene Elektromotor.
Das Mehrgewicht des neuen Motors beläuft sich auf ca. vier Kilogramm, ein Witz bedenkt man, dass alleine der Inverter schon 3,5 kg auf die Waage bringt. Was dann noch alles am Antrieb dazu kam (alleine der E-Motor wiegt schon sieben Kilogramm) ist da fast schon vergessen! Noch leichtere Nockenwellen, Federn und Ventile sparen im Zylinderkopf Gewicht. Die überarbeiteten Aluminium-Kolben sind nun mit einer DLC-Legierung (Diamond like carbon coating) überzogen wurden, wodurch die Lebensdauer deutlich angehoben werden konnte, da die Oberflächenreibung drastisch reduziert wird (DLC wird u. a. im Motorsport bei der Motorentwicklung genutzt, solltet ihr mehr Interesse an dem Thema haben, lasst es mich in den Kommentaren wissen).
Aber nicht nur für den Antrieb ist der Elektromotor entscheidend, er kann auch bewusst eingesetzt werden um zu verzögern. Die kinetische Energie wird vom Elektromotor an der Vorderachse in Strom umgewandelt und im Akkupack unter der Rückbank gespeichert. Dabei kann die Geschwindigkeit des Fahrzeugs so stark gebremst werden, dass nicht einmal ein Bremskraftverstärker benötigt wird (Verzögerung noch unter 1,3 m/s² ?). Entsprechend finden sich an der Hinter- wie auch der Vorderachse gleichgroße Bremsscheiben die eine Stärke von nur wenigen Millimetern aufweisen. Nochmal weniger Masse auf der Waage.
Doch all’ dies kann einem eigentlich völlig schnurzpiepegal sein. Denn das eigentliche Highlight verbirgt sich meiner Meinung nach hinter den verkleideten Felgen: ein genauer Blick verrät, dass der 208 HYbridFE gar keine Querlenker, keine Stabilisatoren und auch keine Federn um die Dämpfer besitzt. Stattdessen nimmt ein Glasfaser-Brett all diese Funktionen wahr. Der natürlichen Flexibilität und der genauen Zusammensetzung dieses Werkstoffs „geschuldet“, wird eine dämpfende Wirkung an beiden Seiten der Achse erzielt. Da jede Achse jeweils ein durchgehendes Brett besitzt, das sich durch auftretende Spannung bzw. Dehnung entsprechend wölbt, wird also ein Stabilisator ohne unnötiges Gewicht oder Mechanik imitiert! Dieses einzelne Bauteil ist auch als Hutchinson Composite Blade bekannt und ist Teil der TOTAL-Gruppe, wird unterstützt von DRIA (Research Division of Peugeot-Citroen). Der Preis für die ausgefeilte Technik: eine Gewichtseinsparung von 50 % bei der Radaufhängung.
Doch wie die ganzen Innovationen miteinander harmonieren bleibt noch abzuwarten. Aktuell existiert lediglich ein einziger Prototyp. Doch spätestens kurz nach der IAA 2013 werden wir sicherlich hier näheres berichten können.
Auch TOTAL profitiert natürlich vom Entwicklungsprozess, können so spezielle Leichtlauföle entwickelt werden, die ebenfalls beträchtlich zu Effizienz eines Fahrzeugs beitragen können. Als Schmierstoff kommt bspw. im 208 HYbridFE aktuell ein neu zusammengesetztes Motoröl zum Tragen. Auch die eigenständige Ölkühlung des Akkus wurde Hand in Hand mit dem Mutterkonzern des Produzenten des Leichtbaustoffes der Motorhaube bis in’s kleinste Detail geplant – ja, TOTAL ist nicht nur in der Rohölgewinnung und –verarbeitung tätig.
Nach allen Anpassungen und Neuentwicklungen konnte man in einem Testlauf mit 20 l Kraftstoff (was gleichzeitig auch die komplette Tankkapazität darstellt) bei einer konstanten Geschwindigkeit von 75 km/h eine Strecke von 950 km zurücklegen.
Alle Bilder in unserer Galerie:
Auch Mikhail von NewCarz war vor Ort. Seinen Bericht findet ihr hier.