Den Horizont im Blick, ein schönes Panorama, so viele Autos da hinten, „Und jetzt der Fuß von der Pedalerie“, lautet die Anweisung vom Beifahrersitz und reißt mich zugleich wieder etwas aus dem Tagtraum. Gesagt getan, der Befehl des Instruktors umgesetzt und oh oh, der Boden ist weg, es geht abwärts. 110% Abwärts – Die volle Portion Land Rover Experience in Wülfrath.
„Wie sieht’s denn mit eurer Offroaderfahrung bisher aus“, fragt uns Instruktor Stephan als wir in den neuen Freelander 2 steigen, der uns am Morgen durch das unwegsame Gelände des Steinbruchs in Wülfrath begleitet, auf dem das Land Rover Experience Center beheimatet ist. „Offroad wird von manchen anders definiert als hier“, antworte ich ihm. Als Ergänzung zur besseren Verständlichkeit füge ich „naja wohl eher schlecht“, noch hinzu, denn eine solche Tour durch das Gelände hatten weder Stefan noch ich bisher mitgemacht. Wieder zurück zu 110% Gefälle, was schon die abschließende Übung sein sollte: im Prinzip verdient diese das Prädikat „fallen lassen“. Zwar übernimmt der Bergabfahrassistent die komplette Bremsarbeit, bremst jedes Rad dabei einzeln ab, sodass jegliche Gefahr des Verrutschens oder Überschlags gegen Null geht, doch es kostet anfangs ein klein wenig Überwindung einfach nichts zu tun, außer saubere Lenkbewegung – diese erfolgen übrigens in der verpönten „Oma-Stellung“, andernfalls sind eben die Daumen ab oder das Auto kaputt, weil die Kontrolle verloren wurde. Also wichtigste Regel: Immer beide Hände am Lenkrad und nie, absolut niemals, das Lenkrad auch nur für eine Millisekunde aus den Händen geben.
Wie es Stefan erging: Im Grunde haben wir nicht nur alle Modelle im Experience Center getestet, nein, sondern auch alle möglichen (Gefahren-)Situationen und da ich diese besonders gut beherrsche, also die Initialisierung und das gerade noch so Abwenden einer eben solchen, darf ich euch mitteilen, dass Mutter Natur härter ist als ihr alle. Stein und Schlamm kennt keine Gnade, lasst ihr einmal die Hände vom Lenkrad, nur für einen Augenblick, kann das bei einer Bergabfahrt das sichere Ticket für einen defekten Kühler(grill) sein ohne große Gewinnchance auf ein unbeschadetes Überstehen. Das Gelände lässt das Fahrzeug völlig automatisch lenken, wenn ihr nicht eingreift genauso wie in einigen Passagen im Gelände nicht nur (fast) Dämpfer durchschlagen, sondern viel mehr Elle und Speiche samt Schlüsselbein.
Der „kleine“ Freelander kann schon einiges. Mit dem SD4 Diesel zieht es sich auch problemlos jeden Hang nach oben, vorausgesetzt der Fahrer hält so gut es geht die Drehzahl von 2.000 U/min. Warum nicht mit Vollgas? Ganz einfach, bei Vollgas steht kein maximales Drehmoment von 420 Newtonmeter an. Also im Gelände lieber zu langsam als zu schnell, abgesehen von sandigem Untergrund. Wer da stehen bleibt, der bleibt dort auch länger stehen. Der nächste Kandidat kann alles auch noch ein wenig besser, und hat dabei nicht nur ein Haldex-Hinterachsdifferential wie der Freelander, sondern zwei Differentiale, bestehen aus einem Mittendifferenzial sowie (als Extra) wie in unserem Fall auch noch ein elektronisch gesteuertes Hinterachsdifferential. Deren Steuerung übernimmt die Elektronik völlig ohne menschlichen Eingriff, die Eingriffe lassen sich allerdings über das 4×4 Info-Display verfolgen. Der Range Rover Sport mit dem sehr attraktiven SDV6-Diesel schickt permanent die Kraft an alle vier Räder, das gepaart mit dem satten Drehmoment von 600 Newtonmeter, dem Terrain Response sowie Dynamic Response und der elektronisch vernetzten Luftfederung mit doppelten Dreiecksquerlenkern macht jedes Hindernis zum Sonntagsausflug. Die Luftfederung ist quasi das Highlight und eine technische Innovation, auf die Land Rover sehr stolz ist, findet doch ein asymmetrischer Ausgleich durch einen Druckluftzylinder statt, der bspw. vorne rechts die Luft ablässt und dann nach hinten links verteilt, so dass die Karosserie bei positiver Verschränkung immer noch fast waagrecht steht.
Den auf „Elefantenfuß“ getaufte Parcour galt es zu bezwingen, der Instruktor hat uns vor den versetzten Löchern gewarnt, doch als wir uns mit Schritttempo über das Hindernis bewegten merkten wir im Innenraum genauso wenig, wie bei der Fahrt über Schotten zum Startpunkt. Der Instruktor musste uns schon darauf aufmerksam machen jetzt anzuhalten um uns die heikle Lage von außen zu verdeutlichen. Ganz ehrlich, wären wir nicht ausgestiegen, hätten wir nicht mal gemerkt, dass wir Godzilla ganz dicht auf den Fersen sind ;).
Meine Lieblingsübung, die Stefan so gar nicht gefallen wollte, war „Wie bekomme ich meine Beifahrerin ganz einfach auf meine Seite“, Land Rover nennt das aber ganz konventionell „Schräglage“. Im Idealfall rutscht dann die attraktive Beifahrerin ganz geschmeidig etwas näher. Auch Stephan kann sich bei diesen Kommentaren das Grinsen nicht verkneifen. Für gewöhnlich verlangt es an der Steilwandkurve (die auf Nardo und ähnliche, noch etwas flacher sind) eine hohe Geschwindigkeit, um nicht „herunterzufallen“ bzw. gen Kreismittelpunkt zu rutschen, doch der Range Rover Sport, zog sich wie auch schon auf allen anderen Geländeabschnitten ganz locker durch, und das bei 34° Neigung und einem Wechsel von einer Schräglage links nach rechts über einen Meter. Respekt. So langsam und so beindruckt war ich noch nie. Ganz abgesehen, dass ich nur zu gerne das Jahresticket für die „End of Road“ lösen würde, aber ich könnte mir gut vorstellen mehrere Wochenende in dem ansonsten so kargen Steinbruch zu verbringen. Oder etwa doch gleich die große Experience Tour über fast zwei Monate, wobei mehrere Kontinente bereist werden. Mehr Abenteuer-Urlaub geht nicht.
Eine ganz wichtige Sache zum Schluss, wenn ich wieder in einem Land Rover sitzen darf, weiß ich schon jetzt eines mit ganz bestimmter Sicherheit. Ich werde nie wieder im Stau stehen müssen, denn neben dem unwegsamen Gelände, kann der Range auch klettern. Treppen klettern. Schräg anfahren, damit jedes Rad einzeln klettert und nicht Achse für Achse (im Innenraum durch ein Springen/Hoppeln bemerkbar), vorher noch das Terrain Response auf den „Steine kriechen- Modus eingestellt (Gasannahme wird dabei sanfter dosierbar), und rauf die zehn Treppen. Den gefühlvollen Gasfuß vorausgesetzt geht es Stufe für Stufe nach oben, klettert der Range Rover Sport im Innenraum fast unbemerkt über das Hindernis. Perfekt für die urbane Stauumfahrung.
Als Offroad-Fahranfänger kann man so einiges falsch machen, egal ob falsche Lenkradhaltung, Sitzposition oder Ausgangslage für das nächste Hindernis. Die Range Rover verzeihen viel, doch alles lässt sich nun mal nicht elektronisch regeln. Vor allem im Gelände muss der Fahrer zu jeder Zeit aktiv mitdenken und agieren. Die Luftfederung macht auch das Treppensteigen als symmetrischen Achsbelastungstest mit, doch sollte vor jeder Abfahrt, vor jeder Hürde erst einmal die Bremse getreten werden und vorher ein Schlachtplan ausgetüftelt werden wie Mensch und Maschine möglichst gut und unversehrt wieder nach Hause kommen. Dabei gibt es eigentlich nur drei Dinge zu beachten: die Situation überblicken um zu wissen, was auf mich als nächstes zukommt (Aussteigen: ein Wechsel der Perspektive!), eine ordentliche Sitzposition, die entsprechende Beugungswinkel in den Gelenken erhält und über eine Kopfstützenhöhe auf gleichem Level der Schläfe verfügt, und niemals das Lenkrad loslassen!
Text: Fabian Meßner/Stefan Maaß
Fotos: Stefan Maaß
Weitere Eindrücke: bimmertoday, icedsoul, mein-auto-blog, trendlupe und newgadgets.