Mitfahrt bei Dieter Glemser im Mercedes-Benz C 111 von 1970

Schloss Dyck 2014

1969 präsentierte Mercedes-Benz ein Fahrzeug, dass sich damaligen Berichten nach, kaum vor Bestellungen retten konnte. Mit dem C 111 wurde dennoch leider nur ein Experimentalfahrzeug in Keilform und GFK-Bauweise gezeigt, dass definitiv nie den Serienzustand erreichen sollte. Der Kostenaufwand wäre einfach zu hoch gewesen, ebenso ein Verkaufspreis, der den Entwicklungskosten gerecht werden könnte.

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Damals war es ein Dreischeiben-Wankelmotor mit 280 PS Leistung, der die erste Version auszeichnete. Ein Jahr darauf wurde die Version II auf dem Genfer Autosalon vorgestellt. Veränderungen waren zu erkennen, doch die Keilform blieb unverkennbar bestehen. Diesmal unter der Haube ein Vierscheiben-Wankelmotor, der zu einer Spitzenleistung von 350 PS fähig war. Wohlgemerkt im Jahr 1970!

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Zu Testzwecken wurde in dieselbe Version auch der M 116 V8-Motor eingepflanzt. Das Ziel war es, einen Serienmotor mit dem Wankelmotor im direkten Vergleich zu sehen. Zwei Zylinder im 90° Winkel zueinander, die Zylinderköpfe schon aus Aluminium. So kam der 3.499 Kubikzentimeter fassende Motor schon im 280 SE Coupé 3.5 (W 111) oder auch im 350 SL (R 107) zum Einsatz.

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Im Versuchsfahrzeug reifte er zu Spitzenwerten heran, eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h – gleichauf mit dem Vierscheiben-Wankelmotor. Diese, im Rahmen der Classic Days auf Schloss Dyck etwas gefährliche, Geschwindigkeit, sollte das Versuchsfahrzeug nicht erreichen. Doch für sportliche 110 km/h und mehr im zweiten Gang sollte es aus den Kurven heraus schon ausreichen. Dieter Glemser pilotierte den C 111 schon bei inoffiziellen Testfahrten (er fuhr damals noch für Ford) über die Nürburgring Nordschleife. Zu seiner Zeit noch mit dem ersten Dreischeiben-Wankelmotor in der Version I. Mit anderen Worten, die Umsetzung, die er jetzt am Schloss Dyck fährt, mit mir auf dem Beifahrersitz, war ihm bis dato noch fremd.

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Doch es sitzt jeder Handgriff des 1938 geborenen Rennfahrers. Auch mit mehr als drei Mal so vielen Jahren auf der Uhr, wie ich, bewegt er das Versuchsfahrzeug selbstverständlich und wie als ob es ein aktueller Rennwagen wäre. Die ein oder zwei lang gezogenen Kurven der kleinen Strecke nimmt er mit allem, was der Wagen hergibt. Das Vertrauen in das Material ist hoch, die Technik noch immer tadellos von der Classic Abteilung in Schuss gehalten. Die Bremsen greifen vor jeder Kurve besser zu, als es manche Neuwagen mit Bremskraftverstärker und all dem Schnick-Schnack könnten. Dieter Glemser’s Bremskraftverstärker ist sein rechtes Bein, elektrische Helfer kennt er nicht, braucht er nicht, will er nicht.

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Nebenbei erzählt er ganz locker von 84-Stunden-Rennen, die er früher mit zwei Kollegen gefahren ist. Heute dagegen fahren bei 24-Stunden-Rennen schon drei bis vier Fahrer in einem Auto. Ich erinnere mich wieder an das Gespräch mit Ellen Lohr, bei dem nebenbei der Begriff „Weicheier“ fällt. Verständlich ist es, früher musste man als Rennfahrer, wie etwa Dieter Glemser ein Multitalent sein, ein Allrounder, einer für alles. Rallye, Langstrecke, Formel 1 und noch mehr bewältigt von einem Fahrer. Es fehlten die Auslaufzonen, bei einem Fehler war es das Ende. Nicht das Ende der Saison, sondern das Ende der Karriere, wenn nicht gar das Ende des Lebens.

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Da beruhigt es mich wieder, wenn ich daran denke, dass Dieter Glemser noch unter uns weilt und den wahrscheinlich unbezahlbaren Prototyp mit durchgedrücktem Gaspedal aus der Kurve scheucht und dabei dicht an die Heuballen heranfährt. Ein Profi hinter dem Steuer und das noch im hohen Alter.

Text/Fotos: Fabian Meßner; Titelbild Daimler AG